Am Sonntag wird in der Türkei ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Aktuell leben in Österreich rund 108.000 Personen mit türkischer Staatsbürgerschaft – etwa 60 Prozent davon sind bei der Türkei-Wahl wahlberechtigt und können noch am Dienstag von Wien, Bregenz oder Salzburg aus ihre Stimme abgeben.
Kritik an organisierten Wahlbussen
Bis 1. Mai war die Stimmabgabe unter anderem im Grazer Congress möglich. Dass der Wählerandrang dort nicht so groß war, erklärt sich der Präsident der türkischen Kulturgemeinde, Birol Kilic, mit der deutlich kleineren Community. Doch nicht nur damit: „Ganz einfach sehen wir, dass es in Wien und Umgebung deswegen so hoch ist, weil Menschen durch AKP-Leute mit Bussen auch aus Graz, aus verschiedenen Gebieten zu Wahlen gebracht wurden. Wir wissen, dass es organisierte Wahlbusse gibt."
Kilic vermutet dahinter unerlaubte Wahlpropaganda: „So eine Bewegung zeigt eine indirekte Wahlmanipulation, weil die Gelder für die Busse, da muss man sich fragen, woher kommt das? Und die Wahlpropaganda im Ausland aus der Türkei ist seit 2008 strengstens verboten."
Türkei nicht Lebenszentrum
Generell sieht die türkische Kulturgemeinde die Wahlmöglichkeit für Türken in Österreich sehr kritisch, „weil wir in Österreich leben, und unsere Zukunft ist in Österreich, unser Lebenszentrum ist Österreich. Wenn jemand wählen will, sollte jemand einen Flug nehmen, in die Türkei gehen und wählen, aber nicht in Österreich.“
Man wolle über die Probleme Österreichs reden und nicht über die Türkei, so der Präsident der Kulturgemeinde. Generell müsse man hier die Spreu vom Weizen trennen: „Die Mehrheit der Menschen aus der Türkei will eigentlich mit solch korrupten, klerikal-faschistischen, undemokratischen Parteien aus der Türkei nichts zu tun haben."
Geringere Wahlbeteiligung erwartet
Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren stimmte noch rund die Hälfte aller in Österreich wahlberechtigten Türken für den amtierenden Präsidenten – diesmal rechnet Kilic mit einer geringeren Wahlbeteiligung und auch mit weniger Stimmen für Erdogan. Kilic begründet das mit der wirtschaftlichen Schieflage des Landes; zudem habe der Staat nach der jüngsten Erdbebenkatastrophe viele Menschen im Stich gelassen.