Andrea Vilter ist nun schon seit einiger Zeit in Graz, pendelte für zwei Jahre. Den Auftakt des APA-Gesprächs machte die Frage, wie sie die Stadt und ihre Kulturszene sehe.
Neugierig auf Graz
Es gäbe bereits Kontakte zur Oper, zum Kunsthaus oder zum Theater im Bahnhof, so Vilter, sie freue sich darauf, Zeit zu haben, um das alles anzuschauen. „Die Stadt hat so viel Kulturangebot, dass ich noch eine Zeit lang brauchen werde, bis ich alles selbst kennen gelernt habe“, so die Schauspielhauschefin.

Start mit bürgerlichem Trauerspiel aus Frauenfeder
Gestartet wird die Spielzeit und damit auch Vilters Intendanz mit dem bürgerlichen Trauerspiel „Von einem Frauenzimmer“ von Christiane Karoline Schlegel, das noch eine Uraufführung ist. „Das Ungewöhnliche daran ist ja, dass es eine Ausgrabung ist, und dass es ein bürgerliches Trauerspiel von einer Autorin ist, das hat Seltenheitswert. Ich bin angetreten mit der Idee, zu hinterfragen, wie gehen wir mit dem klassischen Kanon um. Einerseits ist es eine gewohnte Position, aber derzeit gibt es eine Scheu davor, im Theater diese Titel noch auf den Spielplan zu setzen, weil man meint, das sei eine Verabredung auf immer dieselben Stücke und dieselben Autorinnen und Autoren“, so Vilter.
Auch das Thema sei interessant, meinte Vilter, „auch wegen des Femizids, der ja in jedem bürgerlichen Trauerspiel stattfindet und wie eine Normalität verhandelt wird. Es gehört irgendwie zum Plot, dass eine Frau umgebracht wird. Hier muss man fragen: Aus welcher Perspektive wird so etwas gesehen, wenn es eine Autorin ist, und wie gehen wir heute damit um?“
Leidenschaft für Jelinek
Die zweite Produktion auf der großen Bühne ist Elfriede Jelineks Drama „Sonne/Luft“. Mit ein Grund dafür, so die Schauspielhauschefin, sei ihr eigenes „sehr leidenschaftliches Verhältnis“ zu Jelinek: "Es ist die Autorin, die fast den größten Stellenwert in meinem beruflichen Leben hat. Ich bin als ganz junge Studentin in Berlin auf der Uni auf sie gestoßen, da war sie zumindest einer breiteren Öffentlichkeit noch gar nicht bekannt. Damals wollte ich im Studententheater der Freien Universität Berlin ein Stück von ihr aufführen. Ich habe vom Verlag aber die Rechte nicht bekommen und habe sie dann selbst angeschrieben. Sie hat mir eine Postkarte geschrieben, dass das über den Verlag läuft und sie nichts machen kann. Das war der Anfang, dann habe ich mich immer weiter mit ihrem Werk beschäftigt. Als ich am Residenztheater war, hatten wir die Rechte auch nicht, es hat sich nie erfüllt in meinem beruflichen Leben. Nach der „Winterreise" am Burgtheater bin ich mit ihr in Briefkontakt gekommen, und in Wiesbaden habe ich dann zur Eröffnung ein Stück von ihr gehabt, es gibt also immer wieder so biografische Stationen. Mir war wichtig, wenn ich jetzt in Österreich ein Haus übernehmen, dass diese Autorin in der ersten Spielzeit auf dem Spielplan steht.“
Kooperationen und Vereinigungen
Das Schauspielhaus arbeitet mit einigen steirischen Kulturinstitutionen zusammen: Es gibt Kooperationen mit dem steirischen herbst und mit der Grazer Oper (Molière/Lully, „Der Bürger als Edelmann“, Anm.). Die Spielstätten, vormals Haus eins, Haus zwei und Haus drei, wurden in Schauspielhaus, Schauraum und Konsole umbenannt: „Wir haben den Spielstätten jetzt eigene Programmlinien gegeben, und das haben wir dann auch über die Namensnennung sichtbarer machen wollen. Wir wollen wieder den Begriff ‚Schauspielhaus Graz‘ etablieren. Es sind nicht einzelne Häuser, sondern das Besondere ist, dass alles in einem Haus beieinander ist.“
Budget: Sind gut aufgestellt
Gefragt, wie sich die allgemeinen Teuerungen auf das Budget und die Arbeit des Schauspielhauses auswirken würden, meinte Vilter: „Ich würde sagen, wir sind gut aufgestellt. Als ich begonnen habe zu planen, gab es keinen Ukraine-Krieg und keine Teuerungen, man plant dann in einem bestimmten Rahmen und macht zum Teil auch Verträge, da kann man nicht zurück. Ich muss jetzt gute Haushaltung betreiben, um einen opulenten Spielplan umzusetzen. Wir mussten nichts streichen, wir müssen nur sehr, sehr gut haushalten und verhandeln.“