Prozess nach Pflegefamilien-Skandal

Eineinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Pflegefamilienskandals in Bad Mitterndorf (Bezirk Liezen) hat am Dienstag in Leoben der Prozess begonnen. Die fünf Angeklagten stehen im Verdacht, Minderjährige über Jahre gequält zu haben.

Stühle im Landesgericht Eisenstadt

ORF

Vier der fünf Angeklagten plädieren für nicht schuldig

Als Hauptangeklagte steht am Dienstag die Leiterin der obersteirischen Familienwohngruppe im Fokus der Anklage: Die Staatsanwaltschaft sieht die 53-Jährige als eine Art Drahtzieherin, die ihre Schutzbefohlenen über drei Jahre hinweg seelisch und körperlich gequält haben soll.

Ihr 47 Jahre alter Mann und eine Aushilfspflegekraft sollen sie dabei tatkräftig unterstützt haben, ebenso die Adoptivtochter der Hauptangeklagten sowie ein niederländischer Sozialarbeiter, der in der Pflegeeinrichtung zu gegebenem Zeitpunkt ein Praktikum absolvierte.

Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen

Der Prozess wird weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Die Einzelrichterin entschied am Dienstag, zum Schutz der minderjährigen Opfer bereits vor der Einvernahme der Angeklagten auf eine dahingehende Einschränkung, weil private Details der Kinder veröffentlicht würden. Die Kinder selbst werden vor Gericht nicht erscheinen - ihre Aussagen werden verlesen. Erst zur Urteilsverkündung in mehreren Wochen wird die Öffentlichkeit wieder zugelassen.

Kaugummikauender Angeklagter

Die Angeklagten wirkten vor dem Beginn der Verhandlung relativ unbeteiligt - den ehemaligen Praktikanten etwa musste die Richterin erst bitten, seinen Kaugummi auszuspucken.

Den Fall ins Rollen brachten die Tagebuchaufzeichnungen eines Nachbarn, die im Herbst 2010 dem Trägerverein Pro Juventute übermittelt wurden. Sie dokumentieren, dass die drei Mädchen und die beiden Buben im Winter im Pyjama und barfuß im Schnee stehen mussten, getreten und eingesperrt wurden. Die Einvernahmen der fünf Pflegekinder - heute zwischen 6 und 15 Jahren alt - bestätigten diese Vermutungen und förderten noch weitaus grausamere Details zu Tage.

Kinder mussten Erbrochenes essen

So wird den Angeklagten vorgeworfen, den Kindern regelmäßig das Frühstück verweigert zu haben und sie bei nächster Gelegenheit dazu gezwungen zu haben, stark gepfefferte Eier oder das Fruchtfleisch von Zitronen zu essen, bis sie erbrachen. Auch sollen die Kinder dazu genötigt worden sein, Regenwürmer oder gar das eigene Erbrochene zu essen - sozusagen als Strafmaßnahmen für angebliche Vergehen wie etwa Essens- oder Zigarettendiebstähle.

Angeklagte bekennen sich nicht schuldig

Die Anklage fordert eine Verurteilung wegen Quälens Minderjähriger. Die Angeklagten selbst bekennen sich - mit Ausnahme der angestellten Sozialarbeiterin - nicht schuldig. Im Falle eines Schuldspruchs droht ihnen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Der Prozess ist vorerst für zwei Tage anberaumt.