Debatte über Konsequenzen nach Missbrauch in Heim

Nach Bekanntwerden der mutmaßlichen Fälle von sexuellem Missbrauch in einem Jugendheim der Stadt Graz meldet sich die Mutter eines betroffenen Mädchens zu Wort. Niemand habe etwas bemerkt. Die Vorfälle lösten Forderungen nach Aufklärung und Konsequenzen in der Jugendwohlfahrt aus.

Von der Grazer ÖVP kommt der Vorschlag, ob pubertierende Mädchen und Burschen künftig besser nicht gemeinsam in einer Wohngemeinschaft untergebracht werden sollten. Die Familiensprecherin Sissi Potzinger strebt dafür einen Sonderausschuss im Grazer Rathaus an und fordert restlose Aufklärung.

Ruf nach Konsequenzen

Die zuständige Stadträtin Martina Schröck von der SPÖ will prüfen lassen, ob dieser Vorschlag für einzelne Einrichtungen notwendig sei. Sollte sich herausstellen, dass in der Einrichtung Fehler passiert sein, fordert Schröck Konsequenzen.

Nagl: „Fassungslos und verärgert“

In einer Presseaussendung zeigte sich der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) „fassungslos und verärgert“ über die Vorgänge und die interne Kommunikation. Er habe erst über die Medien von den Vorkommnissen im Heim erfahren. Bei der Stadtsenatssitzung letzten Freitag sei darüber nicht gesprochen worden. Nagl will bis zum Ende der Woche einen Bericht von seinem Magistratsdirektor und von der Leiterin des Jugendamtes am Tisch liegen haben.

Keine Anzeigepflicht für Jugendwohlfahrt

Während sich die Politik über mögliche Konsequenzen Gedanken macht, erzählt die Mutter eines Mädchens, wie es einer ihrer Tochter in den letzten zwei Jahren ergangen ist. „Eine meiner Töchter hat im Oktober des Vorjahres einer Heimkollegin erstmals von sexuellem Missbrauch erzählt“, sagt die Mutter, die Anzeige erstattete. Diese ältere Heimkollegin hat die Information sofort weitergegeben, aber das Jugendamt hat die Polizei damals nicht eingeschaltet, denn eine Anzeigepflicht besteht für die Jugendwohlfahrt nicht.

Mutter: Mädchen haben aus Angst geschwiegen

„Sie haben ein Team gebildet, wo sie es überprüft haben. Das Problem war, dass alle Mädchen gesagt haben, es ist nichts passiert.“ Das bestätigt auch die Magistratssprecherin der Stadt Graz, Vasiliki Argyropoulos - mehr dazu in Mädchen in Grazer Heim jahrelang missbraucht. Die Mädchen hätten aus Angst geschwiegen, so die Mutter. Sie sollen von den Heimkollegen mit dem Umbringen bedroht und geschlagen worden sein. Medizinische Untersuchungen habe es keine gegeben. Allerdings war damals noch nicht von Vergewaltigungen die Rede.

Jüngstes Vergewaltigungsopfer war acht

Vor wenigen Tagen erzählte eine Tochter neuerlich vom Missbrauch: „Sie hat sich selbst Verletzungen zugefügt und ist am Zeugnistag mit einem so einem miesen Zeugnis heimgekommen, da habe ich sie darauf angesprochen.“ Zwei Polizeiermittlerinnen haben den Mädchen entlockt, dass sie fast täglich vergewaltigt worden sind. Mit acht Jahren soll ein Mädchen erstmals missbraucht worden sein. Jetzt sind die vier Opfer zwischen elf und 14 Jahre alt, die mutmaßlichen Täter zwischen 14 und 17.

Die Beschuldigten sind geständig

Drei der mutmaßlichen Täter sind in Haft, einer ist unmündig. Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, Hansjörg Bacher, bestätigen sie die Vorwürfe: „Die Beschuldigten waren bei den Einvernahmen geständig. Es besteht der Verdacht, dass sie die Tatopfer vergewaltigt und sexuell missbraucht haben.“ Laut Staatsanwaltschaft Graz werde ausschließlich gegen die beschuldigten Jugendlichen ermittelt. „Ermittlungen gegen das Heim oder das Magistrat sind derzeit nicht anhängig. Man muss schauen, ob sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens entsprechende Verdachtsmomente ergeben, dann kann man immer noch reagieren“, so der Sprecher.

Mutter: Eltern hätten nichts mitbekommen

Die Mutter macht sich nun selbst Vorwürfe, dass ihr nicht schon früher etwas aufgefallen ist. Zugleich nimmt die das Jugendamt in Schutz: „Auch wir Eltern haben nichts mitbekommen. Dass drei Jahre lang niemand etwas mitbekommen hat, auch wir Eltern nicht, ist unverständlich.“