20 Jahre Briefbomben: „Kein Thema mehr“

Am 3. Dezember 1993 sind die ersten Briefbomben explodiert. Vom „Bombenbauer“ Franz Fuchs blieb in seiner steirischen Heimatgemeinde Gralla nicht viel, doch wie es heißt, war auch nie viel von ihm da.

„Ich war ein Jahr lang mit ihm in Sachen Kanalbau unterwegs“, so der heutige Bürgermeister von Gralla, Hubert Isker (SPÖ), der damals noch einfacher Gemeindemitarbeiter war. Ein „Perfektionist“ sei Fuchs gewesen, intelligent, und die Baufirma war überrascht, wie genau die Pläne ausgearbeitet waren; doch eine „private Gesprächsbasis“ habe ihm zu Fuchs irgendwie gefehlt.

„Bajuwarische Befreiungsarmee“

Seine Anschläge verübte Fuchs unter dem Pseudonym „Bajuwarische Befreiungsarmee“. Dass diese „Armee“ aus nur einem Täter bestand, wollten so manche nicht glauben: Noch lange nach Fuchs’ Tod tauchten Theorien auf, welche die Einzeltätertheorie in Frage stellten.

Vier Tote, zehn Verletzte

Die erste Briefbombe explodierte 1993 in den Händen von Pfarrer August Janisch - mehr dazu in 20 Jahre Briefbomben: Janisch „ohne Hass“ und Briefbombenterror: Weiter offene Fragen. Bis Dezember 1995 wurden in fünf Serien noch 23 weitere explosive Postsendungen verschickt; insgesamt wurden zehn Personen durch die Briefbomben verletzt.

Das mit Abstand schwerste rassistisch motivierte Attentat seit 1945 war der Rohrbombenanschlag in Oberwart, bei dem in der Nacht auf den 5. Februar 1995 vier Bewohner einer Roma-Siedlung starben. Am 24. August 1994 riss eine Rohrbombe in Klagenfurt dem Polizisten Theo Kelz beide Arme weg. Auch Franz Fuchs verlor beide Hände, als bei einer Polizeikontrolle in Gralla am 1. Oktober 1997 eine Rohrbombe explodierte. Fuchs wurde 1999 in Graz zu lebenslanger Haft verurteilt und beging im Februar 2000 Selbstmord - mehr dazu auch in 20 Jahre Briefbomben: Die Chronologie.

Franz Fuchs nach seiner Verhaftung

APA/Polizei

Franz Fuchs nach seiner Verhaftung

Viele konnten es nicht glauben

Als Fuchs 1997 nur wenige Meter von seinem Wohnhaus entfernt von der Polizei geschnappt wurde, konnten das viele Bewohner von Gralla erst nicht glauben: „Keiner dachte, dass der gesuchte Täter bei uns im engeren Lebensumfeld wohnte“, meint Isker. Als man das im Vorfeld von den Ermittlern skizzierte Täterprofil anschaute, passten die Merkmale dann aber doch erstaunlich gut zu Fuchs.

Dass „so ein Gedankengut in ihm schlummerte“, sei niemandem bewusst gewesen und habe einige Bewohner erschreckt. Eingeprägt hätten sich auch die schreiend vorgebrachten Parolen im Gerichtssaal: „Er war sonst ruhig und introvertiert, so etwas kannten wir nicht von ihm.“

Kein „großer Sohn“ der Gemeinde

Wenig erfreut zeigte sich Isker über einen Interneteintrag auf Wikipedia: Dort sei auf der Seite der Gemeinde Gralla unter „Sohne und Töchter“ immer wieder „Franz Fuchs, Terrorist“ zu finden. „Ich habe es schon mehrmals entfernt, aber irgendjemand fügt das immer wieder hinzu.“

Natürlich gehöre er zur Geschichte des 2.200-Seelen-Dorfs, aber „wir sehen ihn nicht als großen Sohn und sind auch nicht stolz auf ihn.“ Mehr als „einer von uns“ sei er für die meisten nicht, betonte Isker. Die Gemeinde habe das Thema jedenfalls abgeschlossen.

Fuchs’ Familie „gut integriert“

Heute, 20 Jahre nach den ersten Briefbomben, geht in Gralla alles seinen gewohnten Gang: „Die Gemeinde hätte sich genauso mit oder ohne Fuchs entwickelt“, ist Isker überzeugt. Gestiegen sei aber zugegebenermaßen der Bekanntheitsgrad nach Fuchs’ Verhaftung. Die Angehörigen des „Bombenhirns“, allen voran seine Eltern und sein Bruder, wurden aber nie ausgegrenzt und waren immer gut integriert.

Das Elternhaus von Franz Fuchs

APA/Hans Techt

Noch heute lebt Fuchs’ mittlerweile 82-jährige Mutter im gleichen Haus wie früher. Die Familie will nach den Jahren des Medienrummels in Ruhe gelassen werden: „Sie haben genug gelitten“, wirbt der Bürgermeister um Verständnis.

Gralla ist heute als Nachbar der südsteirischen Bezirkshauptstadt Leibnitz wie kaum eine andere steirische Kommune auf Wachstumskurs. Die von der SPÖ absolut regierten Gewerbe- und Industriegemeinde entwickelte sich ob der guten Verkehrsanbindung auch zu einem beliebter Wohnort für Jungfamilien.