Kraftwerk Mellach: Eröffnet 2011, eingemottet 2014

Das Gas- und Dampfkraftwerk Mellach südlich von Graz hat sich für den Verbund als finanzielles Fiasko herausgestellt. Die 832-MW-Anlage für rund 550 Mio. Euro ist seit 2011 fertig, lieferte bisher aber nur marginal Elektrizität.

Der Verbund schob die Entscheidung zur Zukunft von Mellach mehrmals auf - nun wurde die temporäre Schließung des hochmodernen Gas- und Dampfkraftwerk bekanntgegeben.

2003: Erstmals werden Pläne für ein neues Gaskraftwerk Mellach in der Öffentlichkeit bekannt, noch unter Verbund-Generaldirektor Hans Haider.

Ende 2005: Der Verbund reicht Mellach-Unterlagen für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ein.

Juli 2006: Das Strom-Wärme-Kraftwerk Mellach ist umweltverträglich, ergibt die vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung durchgeführte UVP. Die Kosten für das Vorhaben gibt der Verbund mit 400 Mio. Euro an.

November 2007: Der unabhängige Umweltsenat bestätigt nach 16 Monaten Prüfung den positiven UVP-Bescheid der steirischen Landesregierung. Die Gesamtkosten für Mellach werden jetzt vom Verbund mit 500 Mio. Euro beziffert.

Mai 2008: Gremien von Verbund und ihrer Tochter Austrian Thermal Power (ATP) geben grünes Licht für den Bau des Gas- und Dampfkraftwerks. Als Gesamtinvestitionskosten werden weiterhin rund 500 Mio. Euro genannt, das Kraftwerk solle plangemäß im Herbst 2011 ans Netz gehen, heißt es.

Juli 2008: Verbund-ATP unterschreibt den Vertrag mit dem Mellach-Anlagenlieferanten Siemens Österreich. Die Kosten werden nun, mittlerweile unter Generaldirektor Michael Pistauer, mit 550 Mio. Euro avisiert, der Baustart für Anfang 2009. Nach Inbetriebnahme 2011 soll Mellach jährlich mehr als fünf Mrd. kWh Strom und rund 800 Mio. kWh Fernwärme liefern, wird festgestellt.

Oktober 2008: Feierlicher Spatenstich für das Gas-Dampf-Kombikraftwerk Mellach durch Verbund-Chef Pistauer und Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ). Ab Jänner 2009 soll der volle Baubetrieb laufen, wird erklärt.

Februar 2009: Seit Mitte des Monats brummen die ersten Bagger auf der seinerzeit größten Baustelle in der Steiermark. In Spitzenzeiten sind dort bis zu 600 Menschen beschäftigt, nach späteren Angaben sogar bis zu 1.200 Fachkräfte gleichzeitig. In Summe wurden dabei mehr als drei Millionen Arbeitsstunden geleistet.

Kraftwerk Mellach

APA/Helge Sommer

Juli 2010: Die erste von zwei Gasturbinen wird angeliefert; sie wurde von Siemens in Berlin gefertigt, ist 13 Meter lang und wiegt mehr als 300 Tonnen.

März 2011: Schweres Reaktorunglück von Fukushima in Japan nach einem Tsunami infolge eines Erdbebens. Der AKW-Unfall löst ein Umdenken in der europäischen Energiepolitik aus, Deutschland beschließt in der Folge ein schrittweises Aus für seine Kernkraftwerke bis 2022 - der Zeitplan dafür wird von der Regierung bis Ende Mai 2011 fixiert. Der deutsche Bundestag segnet das AKW-Aus bis Ende Juni ab, der Bundesrat im Juli 2011. Im Gegenzug steigert Deutschland die Ökostromförderung stark. Dadurch verfallen die Strom-Großhandelspreise in Europa, Gaskraftwerke rechnen sich immer weniger.

Juli 2011: „Österreichs modernstes Wärmekraftwerk steht vor der Inbetriebnahme“, jubelt der Verbund noch anlässlich der Aufnahme des Probebetriebs; Mellach liefere bereits Strom ins Netz. Die neue Anlage ersetze fünf stillgelegte thermische Anlagen und spare so zwei Mio. Tonnen CO2 jährlich. Der reguläre Betrieb solle planmäßig Ende 2011/Anfang 2012 erfolgen, wird Ende des Monats auch im Halbjahrespressegespräch erklärt.

August 2011: Der Verbund bietet für die erste Winter-Stromhilfe für Deutschland, an der sich auch die EVN beteiligt, noch die Möglichkeit von Elektrizität auch aus Mellach an, geht aus Unterlagen der deutschen Bundesnetzagentur hervor.

September 2011: Der Verbund räumt Nachverhandlungen zu den teuren Mellach-Langzeit-Gasverträgen mit seinen Lieferanten ein. Vom Ergebnis dieser Gespräche hänge es ab, ob Mellach eine Belastung werde oder ob es nur wenig Ertrag bringe, so Vorstandschef Wolfgang Anzengruber.

Ende September 2011: Probleme beim Mellach-Probebetrieb werden bekannt: Ein Wicklungsschluss beim ersten Generator könne die Inbetriebnahme um mehrere Wochen verzögern. Vermutet wird, dass der gleiche Produktionsfehler auch beim zweiten Generator vorliegt. Für Mellach räumt der Verbund erneut die Möglichkeit einer eingeschränkten Profitabilität ein; es gebe auf jeden Fall nicht den beabsichtigten Gewinn.

Oktober 2011: Damit sich Investitionen in Gaskraftwerke rentieren, müssten die Erdgas-Lieferverträge überarbeitet und anders gestaltet sein, betont der Verbund-Chef.

Februar 2012: Umweltfreundliche Fernwärmeproduktion für Graz ist im neuen Verbund-Wärmekraftwerk Mellach angelaufen, rechtzeitig zu den extremen Minustemperaturen.

Jänner 2013: Verbund-Chef Anzengruber übt heftige Kritik an der deutschen Energiewende und sieht diese „kurz vor dem Scheitern“. Nur bei einem großen Umbau im EEG-Ökostromregime würden sich auch Anlagen wie Mellach wieder rechnen.

März 2013: Im Jahr 2012 wurde für Mellach eine Wertminderung von 53,7 Mio. Euro vorgenommen, wird im Geschäftsbericht erklärt. 2012 habe Mellach 1.048 GWh Strom erzeugt, um 617 GWh weniger als 2011.

Mai 2013: Der Verbund bringt zum EconGas-Liefervertrag, der Zwangsabnahmemengen und eine ölpreisgebundene Preisformel vorsieht, beim Kartellgericht einen „Antrag auf Abstellung eines kartellrechtswidrigen Verhaltens“ ein. Eine Entscheidung des Kartellgerichts steht noch aus.

Juni 2013: Der Verbund stellt sein Gas-Kombikraftwerk Mellach offiziell auf den Prüfstand, eine Entscheidung solle im 4. Quartal fallen, erklärt Anzengruber. Bis dahin prüfe man „alle Optionen“ bis hin zu Einmotten, Verkaufen oder Stilllegen.

Juli 2013: Die 550 Mio. Euro teure Anlage wurde in mehreren Schritten schon auf 141 Mio. Euro Restwert abgeschrieben, gibt der Verbund mit seinem Halbjahresbericht bekannt. Allein 2013 habe die Wertminderung rund 270 Mio. Euro ausgemacht.

September 2013: Anzengruber fordert bei einer Verbund-Tagung erneut, bei der deutschen Energiewende angesichts der dadurch ausgelösten Verzerrungen auf dem Strommarkt rasch das Ruder herumzureißen. Zur avisierten Mellach-Entscheidung äußert er sich kryptisch: „Was immer dabei herauskommt, ist ein europäisches Phänomen und kein Verbund-Phänomen.“

Dezember 2013: Der Verbund trifft für Mellach - entgegen früheren Ankündigungen - vorerst doch noch keine Entscheidung. Eine Komplettlösung werde noch Zeit benötigen, heißt es, wiewohl „Gaskraftwerke aufgrund der Rahmenbedingungen am Energiemarkt aktuell nicht wirtschaftlich zu betreiben“ seien.

Mai 2014: Die temporäre Schließung von Mellach und der französischen Gas-Kombikraftwerke in Pont-sur-Sambre und Toul wird bekanntgegeben. Endgültig geschlossen werden das Steinkohlekraftwerk Dürnrohr (NÖ) und das ölbefeuerte Fernheizkraftwerk Neudorf/Werndorf II - mehr dazu in Verbund legt Kraftwerk Mellach still.

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