Billige Jahreskarte: Ansturm auf Grazer Öffis?

In Graz kann man künftig für 228 Euro ein Jahr lang die öffentlichen Verkehrsmittel benützen. Ob es dadurch zu einem Ansturm auf Bus und Bim kommt, trauen sich Verkehrsexperten noch nicht zu sagen; von Fahrgast-Vertretern kommt sogar Kritik.

Das Grazer Doppelbudget 2015/2016 bringt einige Neuerungen für Bewohner der Landeshauptstadt: Es sollen neue Grünflächen für Parkanlagen gekauft werden, die Stadt Graz will selbst neue Wohnungen errichten, Kanal- und Müllgebühren werden nicht erhöht, und der Preis für eine Jahreskarte der Holding Graz Linien wird von 399 auf 228 Euro gesenkt - mehr dazu in Grazer KPÖ stimmt Doppelbudget zu..

Verkehrsverbund: „Wenig verkehrspolitischer Nutzen“

Um nur 62 Cent pro Tag können künftig Menschen mit Hauptwohnsitz in Graz im Bus- und Straßenbahnnetz unterwegs sein - zum Vergleich: Eine Stundenkarte kostet derzeit 2,10 Euro. Doch bedeutet billigeres Fahren auch automatischen Fahrgastanstieg? Zum Teil, sagt Alfred Hensle, Geschäftsführer des Steirischen Verkehrsverbundes: „Ich erinnere an die Rabattaktion des Landes, wo wir die Verbundfahrkarten preislich um zehn Prozent reduziert haben. Das hat natürlich zu einem Anstieg der Jahreskarten geführt.“

Doch gleichzeitig habe es einen massiven Rückgang bei den teureren Wochen- und Monatskarten gegeben: „Der Effekt ist der, dass sie vergleichsweise wenig verkehrspolitischen Nutzen haben, nämlich dass mehr Leute fahren. Gleichzeitig gibt es aber Einnahmenverluste, die der Verursacher, die öffentliche Hand, abdecken muss“, sagt Hensle.

Wien: Deutlicher Anstieg bei Jahreskartenbesitzer

In Wien hat man schon mehr Erfahrung mit einer billigeren Jahreskarte: Seit Mai 2012 fährt man dort um einen Euro pro Tag. Vor der Umstellung gab es 370.000 Jahreskartenbesitzer, ein Jahr später waren es bereits 512.000. „Wir merken es auch an den Fahrgastzahlen. Wir hatten 2010 knapp 840 Millionen Fahrgäste bei den Wiener Linien. 2012 waren es dann schon fast 907 Millionen Fahrgäste“, sagt Michael Unger von den Wiener Linien; das zeige schon, dass viele Fahrgäste davor andere Öffi-Tickets genützt hätten und jetzt auf die Jahreskarte umgestiegen seien.

Verein Fahrgast: „Unüberlegte Aktion“

Obwohl auch die Grazer für den öffentlichen Verkehr künftig weniger tief in die Tasche greifen müssen, kommt Kritik von Fahrgastvertretern: Es sei eine unüberlegte Aktion, sagt Severin Kann vom Verein Fahrgast.

„Aus Sicht des einzelnen Fahrgastes ist es natürlich erfreulich. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir im Grazer Tramway- und Busnetz ein massives Kapazitätsproblem haben, insbesondere in der Frühspitze, aber auch am Nachmittag. Wenn jetzt, durch eine massive Verbilligung der Jahreskarte, wesentlich mehr Fahrgäste kommen, stellt sich die Frage, wie sollen die überhaupt abtransportiert werden?“, so Kann.

Geht es nach dem Verein Fahrgast, wäre es vernünftiger, vor einer Tarifsenkung mehr und größere Fahrzeuge anzuschaffen sowie die Intervalle zu verkürzen.

Links: