Spitzenkandidaten: Freude und Entsetzen
Alle Ergebnisse, alle Daten
Insgesamt waren 964.665 Steirer in 287 Gemeinden aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen - bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren waren es noch 542. Hier finden Sie alle Ergebnisse und Vergleichsdaten - mehr dazu in Alle Ergebnisse, alle Daten.
Die Landtagswahl 2015 in der Steiermark am Sonntag gleicht einem politischen Erdbeben: Die beiden „Reformpartner“ SPÖ und ÖVP erlitten massive Verluste und liegen nur noch knapp vor der FPÖ - mehr dazu in SPÖ, ÖVP und FPÖ fast gleichauf und in Politbeben erschüttert Steiermark: FPÖ nur knapp hinter SPÖ und ÖVP (news.ORF.at).
SPÖ: Voves will Gremien befragen
„Ich möchte am Montag meine Gremien im Landesparteivorstand ausführlich damit beschäftigen. Ich frage jetzt auch alle Profis der Meinungsforschung, ob irgendjemand mit diesem Ergebnis gerechnet hat. Es ist ein für uns erschreckendes Ergebnis, das wir aber so zur Kenntnis genommen haben“, sagte Landeshauptmann und SPÖ-Spitzenkandidat Franz Voves.

APA/ Erwin Scheriau
Voves nach der Wahlniederlage
„Ich bin dafür, dass wir die Zukunftspartnerschaft mit der ÖVP eingehen und dass man auch auf ÖVP-Seite dann letztlich auch zu dieser Entscheidung kommt“, so Voves, „denn man sollte nicht übersehen, dass knapp unter 60 Prozent der Steirer klar für diesen reformpartnerschaftlichen Kurs plädiert haben. Ich möchte das mit den Gremien ausführlich diskutieren. Es sollen nicht 0,7 oder 0,8 Prozentpunkte dafür ausschlaggebend sein, dass ich da jetzt zurücktrete. Es geht um die Verantwortung fürs Land, da habe ich dann nicht meine 30 Prozent zu sehen, sondern das, was der Parteivorstand dann morgen für einen richtigen Weg empfindet.“
Er gehe davon aus, dass nur rund 20 Prozent die Arbeit der „Reformpartnerschaft“ in den Mittelpunkt ihres Wahlverhaltens gestellt hätten, so Voves. Jeweils 30 Prozent seien auf Integration und Asyl bzw. Wirtschaft und Arbeitsplätze entfallen.

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Schützenhöfer, von Journalisten bedrängt
Schützenhöfer: „Man kann damit leben“
ÖVP-Spitzenkandidat Hermann Schützenhöfer sagte, das Ergebnis sei eine Grundlage für die Fortführung der politischen Arbeit. „Wir haben knapp 60 Prozent für die Reformpartnerschaft. Im Bund hat man knapp über 50, ohne Reformen durchgesetzt zu haben. Mehr wäre mir lieber, aber es ist eine Grundlage, um Stabilität zu zeigen und ordentlich weiterzuarbeiten. Man kann damit leben.“ Auf die Frage, ob er bleibe, sagte Schützenhöfer kurz: „Na selbstverständlich.“

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Kunasek ist mehr als zufrieden
FPÖ: Freude bei Kunasek über „blauen Erdrutsch“
„Es ist ein blauer Erdrutsch, den wir am Sonntag in der Steiermark erlebt haben", sagte FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek: „Für uns ist das ein toller Tag: 2005 aus dem Landtag rausgeflogen, 2010 wieder eingezogen und nun den nächsten Schritt gesetzt. Aber wir wissen auch über die Verantwortung, die jetzt natürlich größer wird.“
Debatte: Welche Folgen hat die Wahl?
Wie es weitergehe, sei „eine Frage, die ich nicht beantworten kann, das müssen SPÖ und ÖVP beantworten“, so Kunasek. „Wir werden dort wahrscheinlich auch durchaus intensive Diskussionen erleben. Aber eines ist klar: Die Ausgrenzungspolitik uns gegenüber und damit auch einem Großteil der Steiermark gegenüber muss beendet sein.“ Für eine Regierungsbeteiligung sei er bereit, so Kunasek: „Haben wir immer gesagt, natürlich ja. Ja, wir reden auch mit allen, aber auf Augenhöhe. Aber sollten sich die Verlierer wieder einhakeln, braucht es eine starke Opposition. Wir haben beides bereits gemacht und können beides sehr gut.“
Die Zugewinne der FPÖ könne man nicht an einem Thema festmachen, sagte Kunasek: „Es ist eben auch so, dass die Reformen ihre Spuren hinterlassen haben, dort, wo die Menschen nicht mitgenommen worden sind. Es ist medial nicht immer dargestellt worden, aber viele Steirer sind auch enttäuscht über die Art und Weise, wie diese Reformen passiert sind.“
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Hermann Schützenhöfer, Franz Voves und Mario Kunasek im Gespräch mit ORF-Steiermark-Chefredakteur Gerhard Koch
Grüne: Schönleitner will „nicht behübschen“
Der grüne Spitzenkandidat Lambert Schönleitner will das Ergebnis „nicht behübschen“: Man habe das Wahlziel, zweistellig zu werden, nicht erreicht, „dennoch steht ein Plus vorne“. Eben aufgrund des Stimmenzuwachses sieht Schönleitner auch keinen Grund für eine Personaldiskussion. „Betroffen“ zeigte er sich über die starke Zunahme der Freiheitlichen: Man werde die Argumente und Sorgen der Bevölkerung nicht vom Tisch wischen, versprach er.
KPÖ: Klimt-Weithaler spricht von „Zitterpartie“
„Wir haben immer gesagt, dass es für uns nicht leicht sein wird, diesen Wiedereinzug zu schaffen. Dass es so eine Zitterpartie wird, damit habe ich nicht gerechnet“, sagte KPÖ-Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler: „Dort, wo wir in den Gemeinden vertreten sind, konnten wir unsere Ergebnisse gut halten oder sogar dazugewinnen.“ Klimt-Weithaler zeigte sich auch „überrascht, dass die FPÖ wirklich so viel dazugewonnen hat. Dass der Protest gegen die ‚Reformpartner‘ fast eins zu eins zu den Blauen geht, damit hätte ich nicht gerechnet.“
NEOS: „Nicht so erfreulich“
NEOS schafft den Einzug in den Landtag nicht - dementsprechend enttäuscht ist Spitzenkandidat Uwe Trummer: „Es ist nicht so erfreulich für NEOS. Die Vorverlegung der Wahl hat uns sicher nicht gutgetan, auch haben die ‚Reformpartner‘ damit der Demokratie nicht unbedingt einen guten Dienst erwiesen. Wir werden schauen, dass die Weltoffenheit in der Steiermark weiterhin vorhanden ist, und dafür werden wir auch kämpfen.“
Team Stronach: Weitermachen jenseits des Landtags
Ähnlich Josef Kaltenegger, der für das Team Stronach antrat: „Es ist schwer, großartig Erklärungen zu finden. Aufgefallen ist, dass jene Partei, die am meisten mit Gräuelplakaten Wahlwerbung gemacht hat, jetzt den Wahlerfolg hat, das ist sehr bedenklich. Wir haben gespürt, dass es eine Riesenunzufriedenheit gibt bei den Leuten, wir hatten die Hoffnung, dass sie uns als Alternative sehen. Aus unserer Sicht ist wahrscheinlich die Zeit zu kurz gewesen, wir wollen keine Ausreden suchen, aber es war eine sehr kurze Wahlkampfzeit."
Nach den starken Verlusten für SPÖ und ÖVP und den massiven Gewinnen für die FPÖ fallen naturgemäß auch die Reaktionen in den Parteizentralen unterschiedlich aus - mehr dazu in Die Reaktionen der Landesparteien und in Die Reaktionen der Bundesparteien.

ORF.at
- Die Wählerstromanalyse im Detail (news.ORF.at)
„SPÖ und ÖVP noch nie so schlecht“
Der Politologe Peter Filzmaier analysierte das Wahlergebnis: Er sprach von dramatischen Veränderungen und einem historischen Tiefststand für SPÖ und ÖVP, die aber ihre Partnerschaft wohl fortsetzen würden - mehr dazu in Filzmaier: „SPÖ und ÖVP noch nie so schlecht“. Und die FPÖ ist die neue Arbeiterpartei, zumindest in der Steiermark: Laut einer ISA-Wahlbefragung gaben bei der Landtagswahl nicht weniger als 61 Prozent der Arbeiter den Freiheitlichen ihre Stimme - mehr dazu in Wahltagsbefragung: FPÖ neue Arbeiterpartei. Außerdem konnte die FPÖ fast drei Viertel ihrer Wähler von 2010 erneut mobilisieren - mehr dazu in FPÖ mobilisierte viele Stammwähler. Laut einer Analyse der FH Joanneum könnten auch die Gemeindefusionen mit dem Ergebnis etwas zu tun haben - mehr dazu in Die Auswirkungen der Gemeindefusionen.