„Willkommenskultur“ Wort des Jahres 2015

Zwei Begriffe, die sich mit der Situation der Flüchtlinge in Europa auseinandersetzen, sind zum Wort bzw. zum Unwort des Jahres gewählt worden: „Willkommenskultur“ ist das Wort, „Besondere bauliche Maßnahmen“ das Unwort.

Österreichisches Wörterbuch

ORF.at/Zita Klimek

  • Wort des Jahres:
    Willkommenskultur
  • Unwort des Jahres:
    Besondere bauliche Maßnahmen
  • Jugendwort des Jahres:
    „zach“
  • Spruch des Jahres:
    „Frankreich, wir kommen!“
  • Unspruch des Jahres:
    „Ich bin kein Rassist, aber ...“

„Willkommenskultur“ beschreibe „Einstellungen und Handlungen, die angesichts des Leids von Kriegsflüchtlingen helfen, dass diese wieder ein Leben in Sicherheit und Freiheit führen können“, erläuterte die Fachjury unter Leitung von Rudolf Muhr von der Forschungsstelle Österreichisches Deutsch der Universität Graz die Wahl. Der Begriff aus der Wirtschaftssprache „bekam im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung eine völlig neue Bedeutung, in der die gesamte Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen kulminiert“.

„Intelligenzflüchtling“ & „Filzmaiern“

Auf dem zweiten Platz des Rankings landete „Intelligenzflüchtling“. Die Wortschöpfung greife „die derzeitige Situation ironisch auf und verfremdet diese, da jemand, der ‚vor (seiner) Intelligenz‘ flüchtet, nur als ‚Idiot‘ begriffen werden kann“. In Sozialen Netzwerken wird dieses Wort häufig für Personen verwendet, die dort Hasspostings absondern. An die dritte Stelle wurde die scherzhafte Wortneuschöpfung „Filzmaiern“ gewählt - sie ist vom Namen des Politikwissenschaftlers und ORF-Wahlanalytikers Peter Filzmaier abgeleitet.

Unwort „direkter Gegenbegriff zum Wort des Jahres“

Zum Unwort „Besondere bauliche Maßnahmen“ erläuterte Muhr: „Dieser Euphemismus aus dem Munde der derzeitigen Innenministerin (Johanna Mikl-Leiter, ÖVP, Anm.) ist der direkte Gegenbegriff zum Wort des Jahres. Er meint in Wirklichkeit einen kilometerlangen Zaun an der slowenischen Grenze.“ Der Begriff repräsentiere die Unentschlossenheit der österreichischen Regierenden im Umgang mit Flüchtlingen, indem das Tabuwort ‚Grenzzaun‘ vermieden, gleichzeitig aber zur Beruhigung von Teilen der Bevölkerung eine Maßnahme zur Abwehr der Flüchtlinge gesetzt wird.

Auf Platz zwei landete „Lügenpresse“: Damals wie heute war und ist das Wort ein Kampfbegriff der politischen Rechten, betonte Muhr. „Kostendämpfungspfad“ folgt an dritter Stelle, ein Wort aus der Wirtschaftssprache, das verhüllend auch dazu verwendet wird, die Begriffe „Entlassungen“ und „Betriebsschließungen“ direkt zu nennen und die betroffenen Arbeitnehmer in die Irre zu führen, hieß es seitens der Jury.

„Zach“ vor „rumoxidieren“ und „Gönnung“

Das Jugendwort „zach“, ein echter „Austriazismus“, sei derzeit unter Jugendlichen stark in Verwendung. „Seine ursprüngliche Bedeutung ‚zäh‘ wurde massiv erweitert, sodass es heute jede Art Negatives meint und damit für alles verwendet wird, was mühsam, schwierig, problematisch usw. ist“, so die Jury. Auf den Plätzen landeten „rumoxidieren“ (ironische Fortsetzung von chillen) und „Gönnung“ - Letzteres drückt aus, dass man sich etwas Exklusives, Außergewöhnliches geleistet hat.

„Ich bin kein Rassist, aber ...“

Der Spruch des Jahres lag mit „Frankreich, wir kommen!“ nach der ersten Qualifikation der Fußballnationalmannschaft für eine EM-Endrunde auf der Hand - Trainer Marcel Koller hatte das in einer Pressekonferenz mit Baskenmütze und Baguette launig und stolz verkündete. Der Unspruch des Jahres „Ich bin kein Rassist, aber ...“ ist ein reines Lippenbekenntnis, kommentierte die Fachjury; damit wird in der Regel eine abwertende, negative oder rassistische Äußerung eingeleitet.

Link: