Harnoncourt: Wichtige Buchpublikationen

Der große Dirigent Nikolaus Harnoncourt ist in der Nacht auf Sonntag gestorben. Eine Vielzahl von Schriften von und über den Meister der Alten Musik gibt Zeugnis von Kompetenz, Temperament und Eloquenz des großen Musikers.

Harnoncourt starb in der Nacht auf Sonntag im Kreise seiner Familie nach einer schweren Erkrankung im Alter von 86 Jahren - mehr dazu in Dirigent Nikolaus Harnoncourt gestorben und in Nikolaus Harnoncourt ist tot (news.ORF.at). Der Musiker und Theoretiker war stets auch ein begnadeter Vermittler - und ein strenger, doch begeisternder Lehrer, ob sein Gegenüber Musiker, Konzertbesucher oder Journalist war. Sein Tod sorgte für tiefe Bestürzung: Die Reaktionen reichten von „Dankbarkeit für den Austausch“, „Bewunderung“ und „Unverletzbarkeit“ - mehr dazu in „Original des Originalklangs“ (news.ORF.at).

„Vom Denken des Herzens“

„Vom Denken des Herzens“ nennt die Musikpublizistin Monika Mertl ihre 1999 erstmals erschienene und 2004 überarbeitete Biografie über Harnoncourt und seine Frau Alice. „Dieses Buch will nicht den Anschein von Objektivität erwecken. So wie Nikolaus Harnoncourt sich zur Subjektivität seines Musizierens bekennt, so bekennt sich die Autorin zur Subjektivität der Eindrucke, die sie hier gesammelt hat“, so Mertl. Trotzdem, oder gerade deswegen, ist „Vom Denken des Herzens“ ein Standardwerk, das mit Fotos ergänzt und einer Diskografie abgerundet wird.

„Being Nikolaus Harnoncourt“

„Being Nikolaus Harnoncourt“ hieß 2009 in Anlehnung an den Film „Being John Malkovich“ der Titel einer Geburtstagsausstellung im Grazer Stadtmuseum. Durch das „Ohr des Musikers“ betrat man eine Folge von fünf Räume und konnte so die Denkräume und Innenwelten des Dirigenten erkunden. Ein Begleitbuch zeichnet die Ausstellung nach und ergänzt sie mit weiteren Materialien.

Lebensstationen:

  • 6. Dezember 1929: Geburt in Berlin als Johann Nicolaus de la Fontaine und d’Harnoncourt-Unverzagt
  • 1931: Familie übersiedelt nach Graz
  • 1947: Regisseur und Puppenschnitzer bei einer Produktion von Bruno Ertlers „Dr. Faust“ im Grazer Palais Attems
  • 1949: Gründung des Wiener Gamben-Quartetts
  • 1952: Cellist der Wiener Symphoniker
  • 1953: Heirat mit Alice Hoffelner
  • 1953: Gründung des Concentus Musicus Wien
  • 1957: Offizielles Debüt des Concentus zur Wiedereröffnung des Palais Schwarzenberg
  • 1969: Rückzug als Symphoniker-Cellist
  • 1972: Beginn der Dirigententätigkeit mit Monteverdis „Il-ritorno d’Ulisse“ an der Piccolo Scala in Mailand
  • 1973: Professur am Mozarteum Salzburg
  • 1975: Erste Opernproduktion (Monteverdis „L’Orfeo“ mit Jean-Pierre Ponnelle am Opernhaus Zürich)
  • 1980: Erster Auftritt als Dirigent in Österreich (mit dem Concertgebouw Orkest bei der Salzburger Mozartwoche)
  • 1983: Debüt am Pult der Wiener Symphoniker
  • 1984: Debüt am Pult der Wiener Philharmoniker
  • 1985: Gründung des steirischen Klassikfestivals styriarte
  • 1987: Debüt an der Wiener Staatsoper mit Mozarts „Idomeneo“
  • 1992: Debüt bei den Salzburger Festspielen mit Beethovens „Missa Solemnis“
  • 1992: Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde Wien
  • 1999: Verleihung der Hans-von-Bülow-Medaille der Berliner Philharmoniker
  • 2001: erstmals Dirigiert des Neujahrskonzerts (2003 erneut)
  • 2002: Aufnahme in den Orden Pour le Merite
  • 2002: Verleihung des Grammys für die Aufnahme von Bachs „Matthäuspassion“
  • 2004: Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker
  • 2008: Einzige Opernregie (Mozarts „Idomeneo“ bei der styriarte)
  • 2009: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
  • 2012: Ernennung zum Officiers dans l’Ordre de la Legion d’honneur
  • 2014: Ehrenmitglied der Berliner Philharmoniker
  • 2014: Echo Klassik für das Lebenswerk
  • 5. Dezember 2015: Verkündung des Rückzugs vom Dirigentenpult in einem offenen Brief
  • 5. März 2016: Tod im Alter von 86 Jahren

„Musik als Klangrede“

Wer Harnoncourt verstehen möchte, der greift am besten zu seinen eigenen Aussagen. „Musik als Klangrede“ versammelt Essays und Vorträge, in denen der Dirigent eindringlich die Grundprinzipien seiner musikalischen Praxis erläutert. Darin enthalten: der Aufsatz „Zur Interpretation historischer Musik“ aus dem Jahr 1954 - Harnoncourts erste schriftliche Äußerung zu dem damals höchst umstrittenen Thema.

„Eine Rückschau in Gesprächen“

Gespräche mit Harnoncourt zählten zu den aufregendsten Begegnungen, die man als Kulturjournalist haben kann. Seine Ansichten waren immer fundiert, originell - und mit dem Brustton der Überzeugung vorgetragen. Vom Gesprächspartner erwartete er dasselbe: Bildung, Wachheit, Neugier. „Eine Rückschau in Gesprächen“ „Eine Rückschau in Gesprächen“ bietet diese 2014 erschienene Zusammenstellung von Interviews, in denen Harnoncourt auch immer wieder betonte: „Meiner Meinung nach ist es wichtig, ja lebenswichtig, dass sich alle Leute mit Kunst beschäftigen.“

„Gespräche über romantische Musik“

In dem Band „Gespräche über romantische Musik“ kann man nicht nur „von der Heiligkeit der Kunst“, sondern vor allem über Harnoncourts Gedanken zu Beethoven-, Schubert-, Bruckner- und Strauß-Interpretationen eine Menge erfahren.

„Mozart-Dialoge“

In dem Band „Mozart-Dialoge“ finden sich Texte, Reden und Gespräche über Harnoncourts Mozart-Sicht. Über Mozart ließ er nichts kommen, über Mozart-Dirigenten sehr wohl. „Ich bin eigentlich immer empört, wenn einer von ‚Mozart-Stil‘ redet, empört über die Arroganz, mit der jemand behauptet, zu wissen, was ‚Mozart-Stil‘ ist“, wetterte er. Wenn Harnoncourt einmal selbst etwas gefunden hatte, war ihm das nur Ansporn, beim nächsten Mal nach etwas Neuem zu suchen - auch das zeichnete den großen Musiker aus.

Concentus Musicus

Dem von Harnoncourt gegründeten Concentus Musicus widmeten Mertl und der Fagottist Milan Turkovic ein informatives Buch, dem auch eine CD beigelegt ist. Spannende und kurzweilige Geschichten erzählen aus den Anfängen des Ensembles, dessen Forschungen die Aufführungspraxis revolutionieren sollten. Die Zukunft dieses auf der ganzen Welt geschätzten Originalklangensembles ist ungewiss.

Bonmots und Sprachbilder

Proben-Bonmots von Harnoncourt sammelte Sabine M. Gruber, Sängerin im Arnold Schoenberg Chor, in dem Band „Unmöglichkeiten sind die schönsten Möglichkeiten“ - eine unterhaltsame, alternative Annäherungsmöglichkeit an die legendäre, bildhafte Denk- und Ausdruckswelt des Dirigenten.

Harnoncourts Opernwelten

„Die Opernwelten des Nikolaus Harnoncourt“ zeichnet dieses 2009 erschienene Buch mit Aufführungen von Monteverdi, Mozart und Strawinsky nach. „Die Oper - oder besser: das Musiktheater - soll nicht zugrunde gehen dürfen, solange unsere Kultur existiert“, so der Dirigent: „Oper hat Zukunft, weil der Mensch das Theater und die Musik, also das Musikdrama, braucht.“

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