Tödlicher Darmdurchbruch: Ärzte freigesprochen

Zwei ehemalige Mediziner des LKH Graz sind am Mittwoch in Graz freigesprochen worden. Sie standen wegen einer zu spät veranlassten OP, die zu einem tödlichen Darmdurchbruch geführt haben soll, vor dem Straflandesgericht.

„Ich kann nur behandeln, wenn Patienten mir ihre tatsächlichen Symptome schildern“, sagte einer der beiden Mediziner, die sich am Mittwoch wegen der fahrlässigen Tötung eines Patienten im Herbst 2012 verantworten mussten. Den ehemaligen Ärzten des LKH Graz wurde vorgeworfen, die Lage eines Patienten derart falsch eingeschätzt zu haben, dass dieser im Oktober 2012 auf schreckliche Weise verstarb: Bei einer Darmperforation entleerten sich rund eineinhalb Liter Kot in seine Bauchhöhle.

Am Mittwochnachmittag erklärte ein chirurgischer Gutachter in seinen Ausführungen, dass beim angeklagten Internisten „zu keinem Zeitpunkt eine Verurteilung verständlich“ sei. Es hätte bei den Visiten keinen Grund gegeben, am klinisch unauffälligen Verlauf zu zweifeln. Auch beim zweitangeklagten Radiologen habe sich kein Anhaltspunkt ergeben, der mit der späteren Perforation zusammenhänge.

„Kein Hinweis auf Darmverschluss“

Der chirurgische Sachverständige erklärte auch, dass er selbst sich wohl auch nicht für eine Operation entschieden hätte, denn es habe „klinisch keinen Hinweis auf einen Darmverschluss“ gegeben. Der Patient habe auch nicht wie sonst üblich erbrochen. Die spätere Perforation hätte somit laut dem Sachverständigen niemand voraussagen können und sei im Zusammenhang mit einem Darmverschluss nur sehr selten im Klinikalltag zu beobachten.

„Unerwarteter, schicksalhafter Kausalverlauf“

Das Gericht sah die Unschuld der beiden Angeklagten als erwiesen und sprach beide frei. „Es war ein unerwarteter, schicksalhafter Kausalverlauf“, lautete die Begründung. Zeugen hatten von Schmerzen des 46-jährigen Mannes berichtet, das könne zwei Gründe haben: Entweder wollte der Patient tapfer sein - oder die Angehörigen empfanden die Situation anders als sie tatsächlich war. Alle Ärzte und Pflegekräfte sprachen jedenfalls von einer Besserung seiner Schmerzen und einem völlig unerwarteten Tod.

Widersprüche zu einem anderen Gutachten, das im Zuge eines zivilgerichtlichen Prozesses erstellt worden war, hätten sich im Laufe der Verhandlung durch die Besprechung der klinischen Befunde aufgeklärt, so die Richterin. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, daher ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Opfer war Hochrisikopatient

Nachdem er über starke Schmerzen im Bauch geklagt hatte, war der 46-jährige Patient im September 2012 ins LKH Graz gebracht worden. Er galt dort bereits als Hochrisikopatient, weil er regelmäßig zur Dialyse musste und unter Nierenproblemen litt. Während der Untersuchungen sei eine entzündliche Veränderung im Darm festgestellt worden - die Nahrung des Mannes sei reduziert und Antibiotika seien verschrieben worden. Dadurch gingen die Entzündungswerte zurück.

Als der 42-jährige Facharzt für Innere Medizin den Patienten am 1. Oktober übernahm, soll dieser nicht mehr über Schmerzen geklagt haben - weder bei den Visiten noch gegenüber der Pflege. Auch einen verhärteten Bauch habe der Mediziner bei der physikalischen Kontrolle nicht festgestellt. Daher sei eine konservative Behandlung - also ohne Operation - bevorzugt worden. Der Mann sei eben auch Hochrisikopatient gewesen.

Schockierende Todesursache

Am 4. Oktober war eine Computertomographie (CT) gemacht worden. Der Befund dazu lag einen Tag darauf in schriftlicher Form für die Chirurgie vor. Dann musste der Patient in der chirurgischen Abteilung vorstellig werden, ging dazu sogar selbst hin und wieder zurück auf sein Zimmer. Abermals wurde er vom 42-Jährigen einer Visite unterzogen. Erst später an dem Tag musste die Dialyse des Patienten wegen starker Schmerzen abgebrochen werden: Es war zu einer Darmperforation gekommen, bei der sich rund 1,5 Liter Kot in die Bauchhöhle entleerten - das Schockgeschehen hatte den Tod des 46-Jährigen zur Folge.

„Verkettung von Fehlleistungen“

Neben dem 42-jährigen Mediziner war auch ein 65-jähriger ehemaliger Radiologe angeklagt - er soll bei der Befundung des CT vom 4. Oktober laut Staatsanwaltschaft Graz nicht auf einen Darmverschluss hingewiesen haben: „Er hat die Gefahr der Darmperforation nicht erkannt.“ Eine „Verkettung von Fehlleistungen“ hatte laut der Anklägerin die Konsequenz, dass der Patient nicht zeitgerecht der Chirurgie zugewiesen wurde, eine OP hätte ihn „sehr wahrscheinlich“ gerettet.

Unterschiedliche Gutachten

Bei der Fortsetzung des Prozesses am Mittwoch im Straflandesgericht Graz wurde erst das internistische Gutachten gehört: Aus diesem ging hervor, dass es offenbar Probleme bei der OP-Kapazität gab und es daher zu einer zusätzlichen Verzögerung bei der Operation kam, weil kein Saal bzw. keine Chirurgen frei waren. „Aus meiner Sicht hat der Internist aber fachgerecht behandelt“, erklärte der Sachverständige. Außerdem treffe die Entscheidung über eine OP der Chirurg und nicht der Internist.

Das radiologische Gutachten dagegen fiel weniger gut für den Zweitangeklagten aus: Der Beschuldigte habe in seinem Befund nicht eindeutig eine Verschlechterung festgestellt und den Ball mit der Formulierung „Stuhlverhalten?“ an die anderen zurückgespielt. „Die Radiologie ist aber kein Videogame“, kritisierte der Sachverständige - er hätte den Verlauf erkennen müssen, der Darm war bereits hochgradig gedehnt.