Ein Jahr LH Schützenhöfer: Ausblick mit Sorge

Seit einem Jahr führt Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) die steirischen Landesgeschäfte, und er sieht die wichtigsten Vorhaben auf Schiene. Die politische Großwetterlage betrachtet er hingegen mit Sorge.

Am 31. Mai 2015 mussten SPÖ und ÖVP massive Verluste bei der - vorverlegten - Landtagswahl hinnehmen; die FPÖ wurde zur mit SPÖ und ÖVP fast gleich starken Partei. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) machte seine Aussage wahr, dass er gehen werde, wenn die SPÖ unter 30 Prozent falle, obwohl sie stärkste Partei geblieben war. Er übergab den Posten des Landeshauptmannes an seinen „Reformpartner“ und Obmann der zweitstärksten Partei ÖVP, Hermann Schützenhöfer.

„Natürlich ein Einschnitt“

Neuer Stellvertreter und SPÖ-Landesrat wurde Michael Schickhofer. Für Schützenhöfer war das „natürlich ein Einschnitt, wenn sich an der Regierungsspitze statt bisher zwei Gleichaltrigen nun ein 64-und ein 37-Jähriger befinden“. Aber er habe mit Schickhofer ein sehr gutes Verhältnis. Die steirische Budgetklausur am Montag sei auch „trotz schwierigster Thematik von Freundschaftlichkeit gekennzeichnet gewesen, das ist wichtig“, sagte Schützenhöfer im Gespräch mit der APA; das Persönliche sei das eine, die Inhalte das andere.

Mehr Geld für Forschung & Entwicklung

Stichwort Inhalte: Der steirische Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung (F&E) sei weiter vorangeschritten, zuletzt stieg die weiß-grüne F&E-Quote von 4,4 auf 4,8 Prozent; auch die Clusterbildung werde intensiviert, denn in der Steiermark sei nicht nur der Autocluster, sondern auch etwa der Humantechnologiecluster - in manchen dieser Bereiche gebe es Forschungsquoten bis zu elf Prozent, so der Landeshauptmann.

Pflege: „Da rauchen noch die Köpfe“

Für Herbst kündigte Schützenhüfer eine Gesetzesreform zur Neuordnung der Pflege mit Schwerpunkt Haus- bzw. mobile Pflege an; auch werde dann die Gesundheits- und Spitalsreform vorgestellt: „Da rauchen derzeit noch die Köpfe“, so der Landeshauptmann. Ein wichtiges Thema ist für ihn die Mindestsicherung: „Der Unterschied zwischen der Mindestsicherung und dem Arbeitseinkommen muss sich erhöhen - da sind wir schon sehr weit in den Verhandlungen.“ Dies sei auch im steirischen Regierungsübereinkommen unmissverständlich festgehalten.

Hermann Schützenhöfer Landeshauptmann

APA/Erwin Scheriau

„Wir sind keine Insel der Seligen mehr“

Persönlich hätten ihn im vergangenen Jahr zwei Dinge getroffen: „Das war einerseits die Amokfahrt in Graz im Juni 2015. Das kostete mich Substanz. Wir mussten einsehen, dass wir keine Insel der Seligen mehr sind.“ Es „reiße“ ihn heute noch, sagte Schützenhöfer, wenn er von der Hamerlinggasse zur Herrengasse gehe, ein Teil der Route des Amokfahrers, der drei Menschen getötet und Dutzende teils schwer verletzt hatte.

Das zweite sei die Flüchtlingsfrage gewesen: Da stünden alle in Europa vor ganz großen Herausforderungen. Ob er seine in einem Sonderlandtag Anfang September 2015 gemachte Aussage „Haben sie keine Angst, lassen sie sich nicht in Angst versetzen. Wir werden das schaffen“ bereue? „Das war ganz eindeutig eine Fehleinschätzung, das muss man zugeben können. Allerdings habe ich auch als Erster gesagt, das schaffen wir alleine nicht, und der Hauptteil der EU-Staaten hat sich nicht an einer Lösung beteiligt.“ Und der Streit in der Bundesregierung ab Oktober habe die Menschen in Zorn gebracht. Die Lösungen ab 2016 seien in Ordnung gewesen, aber ein halbes Jahr zu spät gekommen; immerhin würden nun Innen- und Verteidigungsministerium gut zusammenarbeiten.

„Politik ist zum Entscheiden da“

Durchaus Chancen sieht Schützenhöfer, den derzeit massiven Vertrauensschwund von Bürgern in die Politik noch zu drehen: „Das geht noch. Politik ist zum Entscheiden da. Wenn ich bei Wahlen eine Watsche erhalte, möchte ich mir sicher sein, dass ich zuvor richtig gehandelt habe. Das Um und Auf ist es, Ziele zu setzen.“

Das hätten, denkt Schützenhöfer, auch der neue Kanzler Christian Kern (SPÖ) und sein Stellvertreter Reinhold Mitterlehner (ÖVP) begriffen. Entscheidend sei, dass es sich bis auf die Ebene der Mandatare durchschlage, dass streiten und sich gegenseitig ausstechen nicht auszahle: „Wenn die Bundesregierung etwa bei der Obergrenze für Asylwerber Einbrüche zulässt, wird es nicht gehen. Zu den anzustrebenden Zielen gehört u.a. der Grundsatz ‚Arbeiten und nicht streiten‘.“ Die Bundesregierung habe noch zwei Jahre Zeit bis 2018, da lasse sich etwas bewegen.

Er habe immer gesagt, dass die steirische „Reformpartnerschaft“ nicht Vorbildmodell, aber eine Möglichkeit für die Bundesebene wäre. Auf die Frage, ob die Bundesregierung dann nicht auch wie die steirische SPÖ und ÖVP 2015 mit Verluste rechnen müssten, sagte Schützenhöfer: „Das ist die einzige Möglichkeit, damit die Parteien auf Bundesebene nicht weiter absteigen. Der erste Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl war ja ein Hilfeschrei der Wähler: ‚Macht’s was!‘“ Kern und Mitterlehner hätten dann ja auch täglich gesagt, sie hätten verstanden.

„Die Kellertür steht schon offen“

„Es geht ja nicht um Zuwächse der Sonderklasse bei Wahlen, es geht um ein Stoppen des Abwärtstrends.“ Das heiße auch, dass man nicht immer auf die eigene Klientel schauen dürfe: „Sonst hätte ich keine einzige ÖVP-Gemeinde mit einer anderen zusammenlegen dürfen“, gab der Landeshauptmann zu bedenken. Wenn aber die Gesinnung des „Haxlstellens“ und des misstrauischen Beäugens eingestellt werde, könne die Bundesregierung den Gang in den Keller noch stoppen: „Die Kellertür steht ja leider schon offen, und sie ist schon ein bissl in der Tür.“

„Noch nie dagewesener Wohlstand“

„Wir haben trotz allem einen nie da gewesenen Wohlstand, dennoch ist die Zufriedenheit nicht gestiegen. Wir müssen auch klarmachen, dass es noch nicht allen schlecht geht, wenn sich der Lebensstandard ändert und nicht alles immer mehr wird. Wenn Ziele fehlen, dann kann der geistige Wohlstand mit dem materiellen nicht mithalten“, sinnierte Schützenhöfer.

Innerhalb von 30 Jahren habe sich viel geändert, das Ersparen einer eigenen kleinen Garconniere sei für ein junges Paar früher schon ein Ziel gewesen, heute komme es vor, dass das Hauptproblem der fehlende zweite Parkplatz vor der Haustür sei. Wenn dann auch noch Abstiegs- oder Verlustängste und Polarisierung dazu kämen, dann „gerate ich in eine Negativspirale und bekomme den Eindruck, jetzt wird alles schlechter“.

Zur Hofburg-Wahl sagte der Schützenhöfer: „Bei der Stichwahl am Sonntag und am Montag habe ich mir gedacht: Das wird den Strache stärken. Der wird jetzt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln um die Mehrheit kämpfen“. Van der Bellen werde Kern und Mitterlehner jedenfalls nicht unrecht sein.

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