Studie: Anonymisierte Bewerbung ohne Chance

Bewerbungsunterlagen ohne Angaben zu Geschlecht, Alter, Herkunft, Religionsbekenntnis und Porträtfoto sind international durchaus üblich - hierzulande aber oft ohne Chance, wie nun eine Studie der Uni Graz ergab.

Über 45, tätowiert, gepierct, weiblich, Kopftuch- oder Gesichtsschleierträgerin: Das alles wird bei vielen Dienstgebern kritisch gesehen, wenn es um die Vergabe eines Arbeitsplatzes geht. Auch wenn es nicht direkt in den Stellenausschreibungen steht, spielten unter anderem Äußerlichkeiten - die nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Qualifizierung zulassen - eine Rolle bei Personalverantwortlichen.

Aus der Sicht von Arbeitsuchenden wären anonymisierte Bewerbungsunterlagen jedoch vorteilhaft, weil Firmenverantwortliche auf Basis solcher Informationen und Bilder nicht unbewusst beeinflusst würden. „Auch für den Dienstgeber wäre es im Auswahlprozess sinnvoll, sich erst einmal auf die tatsächliche Qualifikation der Bewerber zu konzentrieren und Entscheidungen nicht gleich an der ‚falschen‘ Hautfarbe, dem Namen oder dem Alter festzumachen“, zeigt sich die Grazer Soziologin und Psychologin Johanna Muckenhuber überzeugt.

„Muss ‚zum Team passen‘“

Was sie gemeinsam mit Studierenden und ihrer Kollegin Karina Fernandez vom Institut für Soziologie der Universität Graz in 24 steirischen Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sowie auch Großunternehmen in qualitativen Befragungen erhob, weist allerdings auf eine ganz andere Haltung in Personalabteilungen und Geschäftsführungen hin: „Es hat sich gezeigt, dass Arbeitgeber am konventionellen Lebenslauf festhalten wollen. Wir haben - vor allem bei kleinen Unternehmen - immer wieder das Argument gehört, dass der oder die neue MitarbeiterIn auch abseits der Qualifikation einfach ‚zum Team passen‘ muss“, resümierte die Grazer Projektverantwortliche.

Foto und Name besonders wichtig

„Als besonders wichtig für die Personalverantwortlichen hat sich bei Bewerbungen das Foto und der Name herausgestellt“, schilderte Muckenhuber. Die Namensangabe würde bei den Befragten vor allem wichtig sein, weil Personalverantwortliche die Bewerber zusätzlich auch nach ihrem Auftritt in Sozialen Medien hin überprüfen wollten. In einer Vorgängeruntersuchung habe sich bereits die Wichtigkeit von professionellen Bewerbungsfotos herauskristallisiert: „Dort hat sich gezeigt, dass Bewerber, die vom Fotografen perfekt ins Licht gerückt wurden, die besten Chancen hatten, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden“, führte die Grazer Professorin aus.

Weiters wurde von den Befragten ins Feld geführt, dass die Einführung einer anonymisierten ersten Bewerbungsstufe mehr Aufwand und daher höhere Kosten mit sich bringen würde. Dass dadurch aber mögliche Diskriminierung verhindert werden könnte, wurde bezweifelt, weil bestehende Vorbehalte zu einem späteren Zeitpunkt trotzdem zum Tragen kommen würden.

„Kein Bewusstsein für mögliche Diskriminierung“

„Schlussendlich konnten wird herausfinden, dass die Personalverantwortlichen durch die Bank eine mögliche Diskriminierung im eigenen Unternehmen gar nicht als Problem wahrnehmen und keinen Handlungsbedarf erkennen“, gab Muckenhuber zu bedenken. „Das Bewusstsein dafür ist sehr schwach ausgeprägt“, so die Grazer Soziologin.

Auch die Sicht von Arbeitnehmern in der Steiermark wurde im Rahmen der Studie erhoben: Diese würden sich demnach anonyme Bewerbungsverfahren wünschen, zugleich würden sie jedoch auch wissen, dass dies von den Arbeitgebern nicht gewollt ist. „Das belegt auch unsere Befragung: Uns wurde berichtet, dass anonymisierte oder zum großen Teil anonymisierte Bewerbungsunterlagen sofort aussortiert werden - vor allem wenn es viele Bewerbungen für eine Position gibt“, erläuterte Muckenhuber.

Link: