Lebenslange Haft für Grazer Amokfahrer

Acht Tage ist am Grazer Straflandesgericht verhandelt worden, ob der Grazer Amokfahrer am Tag seiner Amokfahrt im Vorjahr zurechnungsfähig war oder nicht. Laut den Geschworenen war er es - das Urteil: Lebenslange Haft.

Die Hauptfrage - ob der 27-Jährige am 20. Juni 2015 drei Menschen getötet und rund 50 schwer verletzt hat - stand von Beginn an außer Frage. Bedeutsam war vor allem die Zusatzfrage, ob der Betroffene imstande ist, sein Unrecht einzusehen, ob also zum Tatzeitpunkt die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit gegeben war?

Liveticker aus dem Gerichtssaal

steiermark.ORF.at berichtete via Liveticker direkt aus dem Gerichtssaal: Das war Tag acht im Grazer Amokfahrerprozess

Acht zu null

Diese Frage beantworteten die Geschworenen klar mit acht zu null Stimmen: Sie befanden den Amokfahrer für zurechnungsfähig - damit konnte er verurteilt werden. Das Urteil - lebenslange Freiheitsstrafe, Einweisung in eine spezielle Abteilung einer Justizanstalt - ist noch nicht rechtskräftig - mehr dazu in Geschworene haben entschieden (news.ORF.at).

Der Richter sagte zum Strafausmaß, dass es sich mildernd ausgewirkt habe, dass es in 108 Fällen beim Mordversuch geblieben sei; erschwerend war hingegen, „dass die Opfer keine Chance hatten auszuweichen“.

Der Amokfahrer selbst nahm das Urteil - wie schon alles in diesem Prozess - regungs- und anteilnahmlos hin, „Ich habe nur Angst gehabt“, sagte er. Dann wurde er abgeführt, besprach sich in einem Extraraum mit der Verteidigerin. Sie sagte danach: Alles, was ihn interessiert, ist, wo er hinkommt - das ist noch nicht entschieden.

Gerichtspsychiater spricht über Urteil in Graz

Gerichtspsychiater Reinhard Haller sieht im Urteil der Geschworenen eine teils problematische Entscheidung.

Nagl „froh, dass es vorbei ist“

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) hatte im Prozess ja auch als Zeuge ausgesagt - er ist froh, dass das Verfahren in Graz stattgefunden habe, aber auch dass der Prozess jetzt vorbei ist: „Ich bin sehr froh, dass in Graz dieser faire Prozess stattgefunden hat. Es war sehr vielen Menschen der Prozess, aber auch diese eineinhalb Jahre schon zu lang, und es ist gut, dass die acht Geschworenen - auch einstimmig - festgestellt haben, dass der Täter zurechnungsfähig ist und auch schuldig gesprochen worden ist. Es werden die Wunden wahrscheinlich bei vielen nie heilen, vor allem nicht bei jenen Familien, die auch Todesopfer zu beklagen haben, aber ich glaube, es war auch ganz wichtig, dass dieser Prozess jetzt einmal zu Ende gegangen ist und dass sich die betroffenen Familien auch wieder auf sich selbst konzentrieren können und nicht ununterbrochen auf den Täter.“

Insgesamt 113 Taten

Bei dem Geschworenenprozess unter der Leitung von drei Berufsrichtern wurde dem 27-Jährigen vorgeworfen, bei seiner Amokfahrt am 20. Juni 2015 durch die Grazer Innenstadt drei Menschen - zwei Erwachsene und ein Kind - getötet zu haben, indem er „mit hoher Geschwindigkeit und gezielt“ auf sie zufuhr - mehr dazu in Nach Amokfahrt: Die Stadt trauert (22.6.2015).

Außerdem versuchte er, zwei Personen vorsätzlich zu töten, indem er sie mit dem Fahrzeug niederstieß und sie dann mit einem Messer attackierte. In 108 Fällen - sechs davon betreffen Kinder - wurde dem Mann versuchte Tötung vorgeworfen. Insgesamt wurden in den letzten Tagen 113 Taten verhandelt.

Alle Prozesstage im Überblick

Von Fassungslosigkeit bis Wut

Über 100 Zeugen schilderten in den letzten Tagen, was sie an jenem 20. Juni in der Grazer Innenstadt erlebt hatten. Dabei wurde deutlich, dass auch jene, die körperlich unversehrt geblieben waren, immer noch an den psychischen Folgen leiden. Immer wieder brachen Zeugen in Tränen aus, weil sie nach wie vor nicht begreifen können, wie nahe sie selbst an dem Vormittag dem Tod gewesen waren. Andere hatten neben sich den vierjährigen Bub oder die 53-jährige Frau sterben sehen und konnten nur mit Mühe darüber reden. Die Fassungslosigkeit und die Wut über das Gesehene müssten viele noch in Therapien aufarbeiten.

Ein Stück der Amokfahrt

Das Video zeigt Bilder einer Überwachungskamera - es verdeutlicht die Geschwindigkeit, mit der der Amokfahrer durch Graz raste.

Die Ex-Frau beschuldigte den Amokfahrer schwer: „Meine Aussage ist, dass er alles nur spielt. Das ist ein Machospiel, er hat mich geschlagen, auch als ich schwanger war.“ Der 27-Jährige habe täglich Cannabis konsumiert und wurde dann aggressiv, beschrieb die Ex-Frau detailliert, er habe ihr zudem den Kontakt zu ihren Eltern verboten.

Amokfahrer meist regungs- und emotionslos

Der Amokfahrer selbst saß meist regungs- und emotionslos da und er gab immer dieselben Antworten: Es tue ihm leid, was passiert sei, er könne sich nicht erinnern.

Gutachter uneins

Die Gutachter schließlich waren uneins: Während der psychiatrische Gutachter Manfred Walzl befand, dass der Amokfahrer zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war - es gebe nach seiner Meinung keine Hinweise auf Schizophrenie -, waren die beiden anderen Sachverständigen Jürgen Müller und Peter Hofmann anderer Ansicht: Der Betroffene leide an einer schweren Geisteskrankheit und sei daher nicht zurechnungsfähig gewesen - eine Ansicht, die die Geschworenen nicht teilten.