Rechnungshof zerpflückt Zentrum Vordernberg

Als schlichtweg unwirtschaftlich bezeichnet der Rechnungshof (RH) in einem aktuellen Bericht das Anhaltezentrum in Vordernberg. Die Kritik geht sogar soweit, dass der RH eine andere Nutzung für sinnvoller halten würde.

Nicht ausgelastet, zu teuer und unwirtschaftlich - so lautet in wenigen Worten zusammengefasst die Kritik des RH am Anhaltezentrum Vordernberg, wo Schubhäftlinge auf ihre Abschiebung warten. Kurzum sieht der RH das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung, ein Kompetenzzentrum für Schubhaft zu schaffen, nicht erreicht. Die Oppositionsparteien sehen sich in ihrer Kritik bestätigt.

Zu maximal 18 Prozent belegt

In seinem Bericht geht der RH durchwegs ins Detail. So würden in Vordernberg insgesamt 193 Haftplätze zur Verfügung stehen, seit Eröffnung des Zentrums im Jahr 2014 seien diese allerdings zu maximal 18 Prozent ausgelastet gewesen - mehr dazu in Erste Schubhäftlinge treffen in Vordernberg ein (27.2.2014).

Schubhaftzentrum Vordernberg

APA/Erwin Scheriau

Seit April dieses Jahres tendiere die Belegung sogar gegen null, heißt es. Eine höhere Auslastung habe nur durch die Unterbringung von Verwaltungsverwahrungshäftlingen erreicht werden können, was vertraglich so aber nie vorgesehen war.

165 Euro pro Tag und Haftplatz

Ein weiterer Kritikpunkt im RH-Bericht sind die hohen Kosten. Allein für Planung und Errichtung des Anhaltezentrums gab das Innenministerium rund 24 Millionen Euro aus. Dazu kommen jährliche Mietkosten in der Höhe von 2,6 Millionen Euro, eine vertragliche Bindung, die vom Innenministerium für 33 Jahre abgeschlossen wurde, heißt es im Bericht. Die Verträge über die Dienstleistungen wurden auf 15 Jahre abgeschlossen, was Kosten von acht Millionen Euro jährlich entspreche und zwar unabhängig von der Auslastung, rechnet der RH weiter vor.

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Zweimal konnten aus Vordernberg Häftlinge flüchten

Umgerechnet auf einen Haftplatz würden die Kosten bei Vollauslastung des Anhaltezentrum pro Tag damit bei 165 Euro liegen, das sei laut RH dreimal so hoch wie in Salzburg, wo der Haftplatz nur 50 Euro koste.

Neues Konzept empfohlen

Ins Visier des RH geriet auch die Vergabe an eine private Sicherheitsfirma. Die von der Gemeinde geführte Ausschreibung sei so eng gefasst worden, dass gar kein anderer Bieter ein Angebot legen konnte - mehr dazu in Weiter Wirbel um Schubhaft-Security (7.11.2013). Unterm Strich zieht der RH eine letztlich vernichtende Bilanz über das Schubhaftzentrum und empfiehlt sogar, in Abstimmung mit der Gemeinde Vordernberg, eine alternative Verwendung für das Zentrum zu finden.

Doch schon im Vorfeld und unabhängig vom aktuellen RH-Bericht sorgte das Schubhaftzentrum in Vordernberg wiederholt für Schlagzeilen, etwa weil Häftlinge aus der Anstalt flüchten konnten - mehr dazu in Vordernberg-Schubhäftling in Wien gefasst (28.8.2014) sowie in Häftling aus Schubhaftzentrum geflohen (12.10.2014).

Opposition sieht Kritik bestätigt

Nach dem kritischen Bericht sah sich die Opposition in ihrer Kritik an Vordernberg und am Innenministerium bestätigt. Der Rechnungshof mache „die ÖVP-Freunderlwirtschaft bei der Errichtung des Zentrums klar sichtbar“, so etwa die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Sie sprach von schwerer Steuergeldverschwendung durch das Innenministerium und die damals verantwortliche Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).

Korun wies darauf hin, dass der Geschäftsführer des mit Dienstleistungen in Vordernberg beauftragten privaten Sicherheitsunternehmens G4S einst Kabinettschef eines ÖVP-Innenministers war. Kritik gab es auch daran, dass das Innenministerium die Kontrolle des Ausschreibungsverfahrens durch den Rechnungshof vereitelt habe, indem der entsprechende Vertrag über die Gemeinde Vordernberg lief. Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern darf der Rechnungshof nämlich nicht prüfen.

NEOS fordert Schließung - „alles andere wäre Farce“

Ähnlich lautete die Reaktion von NEOS. „Damit wird die unverschämte Steuergeldverschwendung, Unverantwortlichkeit und Intransparenz des Innenministeriums endgültig bestätigt“, sagte NEOS-Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) müsse die Empfehlungen des Rechnungshofes ernst nehmen und das Schubhaftzentrum in Vordernberg schließen. „Alles andere wäre eine Farce“, so Scherak.

Team Stronach: „Regierung heillos überfordert“

„Noch deutlicher, als der Rechnungshof es gemacht hat, kann man nicht beweisen, dass die Regierung mit dem Schubhaftsystem heillos überfordert ist“, so Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar. Als „erschreckend und sicherheitsgefährdend“ bezeichnete Lugar den vom Rechnungshof aufgezeigten Umstand, dass es allein für den Zeitraum von 2010 bis 2014 keine Informationen über den Verbleib von insgesamt 39.370 Personen gibt, gegen die eine aufenthaltsbeendende Entscheidung erlassen wurde.

FPÖ: „Verdacht auf Freunderlwirtschaft“

Ein Umstand, den auch FPÖ-Rechnungshof-Sprecher Wolfgang Zanger kritisierte: „Wenn die Bürger Vertrauen in die Vollziehung haben wollen, ist es notwendig, dass die Gesetze ordnungsgemäß vollzogen werden. Dass illegal Eingereiste einfach untertauchen, ist ein Skandal und mit einem funktionierenden Rechtsstaat nicht vereinbar.“ Dass das Vergabeverfahren offenbar auf das Sicherheitsunternehmen G4S zugeschnitten war, lässt laut Zanger den „Verdacht der Freunderlwirtschaft“ aufkommen.

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