Lebenslang für Grazer Amokfahrer bestätigt

Am Wiener Oberlandesgericht ist am Dienstag die Frage über das Strafausmaß des Grazer Amokfahrers geklärt worden. Nach kurzer Zeit wurde beschlossen: Es bleibt bei der lebenslangen Haftstrafe für den Angeklagten.

Am 20. Juni 2015 erschütterte die Amokfahrt in der Grazer Innenstadt mit drei Toten und über 50 zum Teil Schwerstverletzten ganz Österreich - mehr dazu in Amokfahrt: Täter stellte sich selbst (20.6.2015).

Anwältin brachte Nichtigkeitsbeschwerde ein

Letztes Jahr fand dann der Prozess gegen Alen R. am Grazer Straflandesgericht statt. Das Urteil: schuldig des dreifachen Mordes und 108-fachen Mordversuchs. Das Strafausmaß: lebenslange Haft und eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher - mehr dazu in Lebenslange Haft für Grazer Amokfahrer (29.9.2016).

Doch gegen diese Strafhöhe brachte die Anwältin des Amokfahrers eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof ein. Das Höchstgericht lehnte im April des heurigen Jahres diese Beschwerde jedoch ab und bestätigte damit zugleich, dass Alen R. bei seiner Amokfahrt zurechnungsfähig war. Das Urteil war somit rechtskräftig - mehr dazu in OGH bestätigt Schuldspruch gegen Amokfahrer (6.4.2017)

„Kann nichts anderes geben als lebenslang“

Jetzt hat sich ein Senat des Wiener Oberlandesgerichts mit der Strafhöhe beschäftigt. Verhandelt wurde in Wien, weil sich die Juristen des eigentlich dafür zuständigen Grazer Oberlandesgerichts für befangen erklärt hatten. Nun wurde beschlossen: Es bleibt bei lebenslang für den Grazer Amokfahrer.

Beratungszeit von wenigen Minuten

Ein Drei-Richter-Senat verwarf nach einer Beratungszeit von wenigen Minuten die Berufung des 28-Jährigen. „Bei einem solchen Verbrechen kann es nichts anderes geben als lebenslang“, führte der vorsitzende Richter Christian Dostal in der Urteilsbegründung aus.

Bei der Strafbemessung genüge es, sich die Zahl der Opfer vor Augen zu führen, „die die Wahnsinnstat des Angeklagten nach sich gezogen hat“, legte Dostal dar. Es handle sich um „einen geplanten Massenmord, der hier stattfinden sollte“.

„Beeinträchtigung zu wenig berücksichtigt“

Alen R. war in einem schwarzen, abgetragen wirkenden Anzug und mit mehreren um den Hals geschlungenen Kreuzen und Rosenkränzen erschienen - er machte einen wirren Eindruck: „Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass er nicht zurechnungsfähig ist“, bekräftigte Verteidigerin Liane Hirschbrich.

Ihr Mandant bekomme in der Justizanstalt seit einem Jahr einen Medikamentencocktail und eine Depotspritze gegen „die schwerste Form der Schizophrenie“ verabreicht, gab Hirschbrich zu bedenken. Das Erstgericht habe bei der Strafbemessung das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung des 28-Jährigen zu wenig berücksichtigt.

„Ich kann mich nicht erinnern“

Als er vom Richter um ein Schlusswort gebeten wurde, ehe sich der Senat zur Beratung zurückzog, gab der Mann weitgehend unverständliche, abgehackte Sätze von sich. „Es tut mir furchtbar leid“ und „Ich kann mich nicht erinnern“ war zu vernehmen.

„Dass der Angeklagte sichtlich retardiert durch Medikamente ist, bemerken wir“, hielt Dostal anschließend in der Urteilsbegründung fest. Die Frage der Zurechnungsfähigkeit „ist aber geklärt“, verwies der Vorsitzende auf die OGH-Entscheidung. Ähnliches galt übrigens für die mit der lebenslangen Freiheitsstrafe verbundene Einweisung - letztere wurde von der Verteidigerin nicht bekämpft.

„Sie werden lange für die Sühne brauchen“

Nachdem er die Bestätigung seiner lebenslangen Freiheitsstrafe vernommen hatte, bettelte R. um seine Freiheit. „Ich will raus zu meinen Eltern“, wandte er sich an den Senat. „Mein Vater hat Krebs“, fügte er hinzu. „Wenn Sie das Kreuz um Ihren Hals ernst nehmen, dann werden Sie lange für Sühne brauchen“, bemerkte der Vorsitzende. „Ich war schon immer Christ“, erwiderte der Amokfahrer abschließend.

Unterbringung noch zu klären

Nun könnte sich auch bald klären, wo der Angeklagte in weiterer Folge untergebracht wird - mehr dazu in Amokfahrer: Unterbringung weiterhin unklar (6.11.2016). Theoretisch kommen vier Justizanstalten für die Unterbringung geistig abnormer, zurechnungsfähiger Rechtsbrecher in Frage: die Grazer Karlau sowie die Justizanstalten Stein, Garsten oder Wien-Mittersteig. Der derzeitige Unterbringungsort von Alen R. wird vom Justizministerium aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht bekanntgegeben.

„Klares Signal des Rechtsstaates“

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), selbst Augenzeuge der Amokfahrt, sagt am Dienstag, er sei den obersten Richtern dankbar, dass sie das Urteil bestätigt haben: "Die Öffentlichkeit erwartet sich klare Schutzmechanismen seitens der Gesetzgebung und der Rechtsprechung! Die Narben werden bei allen Betroffenen bleiben, aber dieses Urteil, das mir auch persönlich wichtig war, ist ein klares Signal des Rechtsstaates, dass man die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft auch verwirken kann.“

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