NS-Lager Liebenau: Stadt Graz plant Mahnmal

Seit Jahren ist die Stadt Graz dabei, negative Bereiche ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten - so auch das ehemalige Zwangsarbeiterlager Liebenau. Für die Zukunft ist auch ein Mahnmal für die Opfer des NS-Regimes geplant.

Nagl

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Bürgermeister Siegfried Nagl

Die Bauarbeiten für das Murkraftwerk haben für die Stadt Graz das Tor in eine dunkle Vergangenheit geöffnet. Nun werden Archäologen eingesetzt, um die Überreste des ehemaligen Nazi-Lagers in Liebenau an die Oberfläche zu bringen: „Graz bekennt sich klar zu seiner Geschichte, geht hier glaube ich anders um als andere Städte - und mir ist es ganz wichtig, dass diese Verbrechen klar dokumentiert werden und wir den Menschen, die damals in Graz gelitten haben oder sterben mussten, eine Mahnstätte errichten und ihrer würdig gedenken“, so der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP).

„Etwas, das auch die Republik Österreich angeht“

Laut Nagl sprechen sich alle Fraktionen im Gemeinderat für die Errichtung eines Mahnmals aus. Dieses werde allerdings erst nach der Fertigstellung des Murkraftwerks aufgestellt werden: „Wir sind ja auch immer mit dabei, wenn es um die Finanzierung der Archäologenteams geht. Das Bundesdenkmalamt hat das Sagen - und mich würde es freuen, wenn die Stadt Graz bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte nicht allein gelassen würde. Das ist sicher etwas, das auch die Republik Österreich angeht“, so der Bürgermeister.

NS-Lager Liebenau

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Zuletzt wurden großflächig die Fundamente der Lagerbaracken des NS-Zwangsarbeiterlagers Liebenau freigelegt. Das Lager im Süden von Graz war in der NS-Zeit das größte Zwangsarbeiterlager im Grazer Stadtgebiet mit bis zu 5.000 dort untergebrachten Personen; der Komplex war zudem eine Station der ungarischen Juden auf den Todesmärschen vom „Südostwallbau“ im Grenzraum zu Ungarn - mindestens 35 von ihnen wurden dort erschossen. Nach dem Krieg befand sich auf dem Gelände ein Flüchtlingslager.

NS-Lager Liebenau

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Die Bauarbeiten für das Murkraftwerk haben für die Stadt Graz ein Tor in eine dunkle Vergangenheit geöffnet

Heute ist das Areal zum größten Teil verbaut, doch, so Nagl: „Jene Bereiche, die frei geblieben sind, werden diese Grabungen erleben - und da werden wir auch nicht müde werden, alles aufzuzeigen.“

Immer mehr Spuren treten zutage

Beim Bau des geplanten Jugendzentrums Grünanger war ein gut erhaltener Luftschutzgang des einstigen Zwangsarbeitslagers gefunden worden - mehr dazu in NS-Luftschutzgang bei Bauarbeiten entdeckt (16.5.2017) -, und Funde von baulichen Strukturen im Umfeld der Baustelle des Murkraftwerkes versetzten schon Anfang März Zeithistoriker in Beunruhigung - mehr dazu in Historiker fordern Baupause bei Murkraftwerk (9.3.2017).

Suche nach den Toten

Die Toten wurden zumeist in Bombentrichtern am Rande des Lagers verscharrt. Für die Archäologen wäre es ein leichtes, die Opfer zu finden, so der Archäologe Gerald Fuchs: „Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis man diese Plätze findet. Die Schätzungen schwanken zwischen einigen Dutzend und einigen Hundert - wie viele wirklich dort liegen, weiß kein Mensch.“

Neue Funde rund um das NS-Lager Liebenau

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Die Lage der potentiellen Massengräber ist laut Gutachten bis auf einen halben Meter lokalisierbar. Dass die Toten nicht vergessen wurden, ist nicht zuletzt dem Grazer Mediziner Rainer Possert zu verdanken: „Wir fordern, dass an den Punkten, die klar definiert sind, wo unter Umständen Opfer vergraben sein könnten, weitere Grabungen stattfinden und Klarheit geschaffen wird, damit man den Toten auch die Ehre erweisen kann.“

Neue Funde rund um das NS-Lager Liebenau

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Die Stadt habe bereits vor Jahren begonnen, sich mit diesem Bereich ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. 2012 sind alle bis dahin bekannten Dokumente zum Zwangsarbeiterlager Liebenau in Buchform veröffentlicht worden.

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