Arzt-Freispruch: Kinder wollen Richter anzeigen

Nach dem Freispruch eines Arztes, der wegen des Vorwurfs des Quälens vor Gericht stand, wollen seine Kinder rechtliche Schritte gegen den Richter einleiten. Geplant ist eine Sachverhaltsdarstellung wegen Amtsmissbrauchs.

Die Anwältin der Kinder spricht nach der Urteilsverkündung am Freitag von einer „enorm einseitigen Prozessführung“. Der Richter sei der Verteidigungslinie des Anwalts des Arztes gefolgt, „der immer wieder von einem ,Rosenkrieg’ gesprochen“ habe. Beweisanträge, die den Arzt belasteten, seien vom Richter mehrfach abgelehnt worden, so die Anwältin.

Staatsanwaltschaft entscheidet am Montag

Man wolle nun eine Sachverhaltsdarstellung wegen Amtsmissbrauchs gegen den Richter bei der Staatsanwaltschaft einbringen, kündigte ein Kind des Arztes an. Der Freispruch ist noch nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft nach dem Prozess keine Erklärung abgab - erst am Montag soll entschieden werden, ob Berufung eingelegt wird. Der Sohn des Arztes hofft jedenfalls darauf: „Für mich ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wir schauen einmal, ob der Staatsanwalt Berufung einlegt, was er hoffentlich machen wird, und dann kommt der nächste Schritt.“ Sollte die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel verzichten, wäre der Freispruch nächste Woche rechtskräftig.

Die Kinder sagten am Freitag vor Gericht aus und belasteten den Mediziner - der der Bruder eines prominenten Spitzenpolitikers ist - dabei schwer. Der Richter wertete die Aussagen allerdings als für ein Strafverfahren nicht relevant und sprach den Angeklagten frei; der Freispruch ist noch nicht rechtskräftig - mehr dazu in Prozess wegen Misshandlung: Freispruch für Arzt und in Arzt vor Gericht: „Das ist kein Mensch“.

Sohn spricht von Behördenwillkür

Das Urteil ist für den Sohn des Arztes unverständlich: „Die Begründung, warum er freigesprochen wurde, ist wegen des angeblichen Rosenkrieges, aber das benutzt der Richter nur als Vorwand, um ihn freizusprechen, was für mich auch als Behördenwillkür zählt. Es war nie ein Rosenkrieg, das Wort Rosenkrieg ist nach Veröffentlichung der Beschuldigungen aus seinem Umfeld (aus dem Umfeld des Arztes, Anm.) gekommen. Und es wird dann ein taktischer Zug gewesen sein, den der Richter übernommen hat, was für uns für eine Behördenwillkür spricht.“

Gericht: „Normales Gerichtsverfahren“

Vonseiten des Gerichtes hieß es am Samstag zu dem Urteil, dass eine strafrechtlich relevante Handlung nicht gegeben gewesen sei, denn in diesem Fall hätte nachgewiesen werden müssen, dass die psychischen Leiden der Kinder in direktem Zusammenhang mit der Tathandlung stehen, und dafür gebe es eben keine Beweise.

„Richter entscheiden in jedem Fall nach dem Akteninhalt, nicht nach Verwandtschaftsverhältnissen, nicht nach irgendwelchen Interventionen. Das Ergebnis des Verfahrens ist ein reines Ergebnis des Gerichtsverfahrens, wie wir sie zu Hunderten jeden Tag hier im Haus immer wieder haben. Ich kann ausschließen, dass es hier irgendeine Intervention irgendeiner Art gegeben hat, es war ein von unserer Seite her normales Gerichtsverfahren, das durchgeführt worden ist. Auch möchte ich dazu sagen, dass jedes Gerichtsurteil begründet werden muss, und jedes Gerichtsurteil kann bekämpft werden, was jederzeit der Staatsanwaltschaft Graz zusteht“, so Gerichtssprecherin Barbara Schwarz.

„Schritt in die juristische Steinzeit“

Der Verein Autonome Frauenhäuser in Österreich betreut jährlich mehr als 3.000 Frauen und Kinder, die vor häuslicher Gewalt flüchten müssen. Die Geschäftsführerin des Vereins, Maria Rösslhumer, zeigt sich entsetzt über den richterlichen Freispruch und bezeichnet die Entscheidung als Schritt in die juristische Steinzeit; das Urteil sei ein sehr schlechtes Signal an all jene, die Opfer familiärer Gewalt seien und Anzeige erstatten wollten.

Rösslhumer befürchtet, dass viele Betroffene durch dieses Urteil eingeschüchtert werden könnten: „Es ist ohnehin schon so ein großer Schritt, eine Anzeige gegen den eigenen Mann oder Vater zu machen, und dann passiert so etwas. Natürlich ist das eine Angst, dass einem das selber auch passieren könnte, daher werden sich wahrscheinlich immer mehr Betroffene fragen, ob das überhaupt Sinn macht, eine Anzeige zu erstatten. Wir ermutigen natürlich die Betroffenen, eine Anzeige zu machen, aber es ist schwierig, wenn dann so ein Urteil passiert.“

Freispruch: Keine Rechtsgrundlage für Berufsverbot

Der oststeirische Arzt selbst darf derzeit seinen Beruf nicht ausüben - das Land hat ein Berufsverbot verhängt - mehr dazu in Oststeirischer Arzt von Ärzteliste gestrichen (8.9.2017). Sollte der Freispruch aber rechtskräftig werden, ist dem Land die Rechtsgrundlage für dieses Berufsverbot entzogen, und der Arzt dürfte dann seinen Beruf wieder ausüben.

Seine Arztpraxis ist derzeit geschlossen und von der Kasse neu ausgeschrieben. Wird das Berufsverbot gegen den Arzt im Falle eines rechtskräftigen Freispruchs wieder aufgehoben, könnte er sich theoretisch auch wieder um seine Praxis bewerben. Von der Ärztekammer Steiermark heißt es dazu: Priorität sei es, die Versorgungssicherheit für die Patienten in dem Ort und auch die Rechtssicherheit für alle Beteiligten so rasch wie möglich wiederherzustellen.