Vergewaltigungen in WG: Stadt Graz muss zahlen

Die Stadt Graz ist vier Jahre nach Bekanntwerden von Vergewaltigungen in einer ihrer Wohngemeinschaften zu Schmerzensgeldzahlungen verurteilt worden. Zwei Mädchen wurden insgesamt rund 75.000 Euro zugesprochen.

Im Urteil heißt es, dass die Vergewaltigungen durch drei Burschen in der Jugend-WG nur passieren konnten, weil Aufsichtspersonen ihrer Aufsichtspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen seien. Die Stadt Graz sei somit schuldig, Schmerzensgeld zu zahlen, heißt es in dem rechtskräftigen Urteil des Zivillandesgerichts Graz.

Jugendamt soll von Vorgeschichte gewusst haben

Über Jahre hinweg hatten drei Burschen in der Wohngemeinschaft des Jugendamts vier Mädchen vergewaltigt, verletzt und bedroht. Zwei Opfer waren zu Beginn erst zwölf und acht Jahre alt. Ihre Mutter klagte die Stadt - mit Erfolg wegen der psychischen Folgen, der posttraumatischen Belastungsstörung der jüngeren Tochter und weil die Aufsicht nicht ordnungsgemäß war.

So kritisiert Anwalt Franz Benda, „dass sich die Mädchen nicht einmal in ihrem eigenen Zimmer einsperren haben können, dass es also keine Verschließmöglichkeit gegeben hat, auch nicht der Duschräume, es gab auch keine Trennung der Mädchen und Burschen. Das größte Problem war aber meiner Meinung nach, dass einer der Täter eine Vorgeschichte gehabt hat, weil er seine Schwester missbraucht haben soll.“ Das habe das Jugendamt gewusst.

Zur Höhe des Schmerzensgeldes - 60.000 Euro für das jüngere Mädchen und 15.000 für das ältere - meint der Anwalt: „Meiner Meinung nach wäre mehr zuzusprechen, aufgrund der jahrelangen Missbrauchsgeschichte, aber man muss sagen, dass die Justiz hier das Möglichste zugesprochen hat. Da sind wir gebunden an den Schmerzensgeldkatalog, den wir im österreichischen Zivilrecht haben.“

Stadt berief nicht gegen Urteil

Die Stadt Graz und ihr Anwalt stellten zunächst die Berechtigung einer Schmerzensgeldzahlung infrage. Bei den Klägerinnen hätten schon vor den strafbaren Handlungen psychische Auffälligkeiten bestanden, somit sei ein Fehlverhalten der Stadt nicht (gänzlich) kausal für den Schaden. Letztlich beriefen die Stadt und ihre Versicherung aber nicht gegen das Urteil.

Jugendamtssprecherin Vassiliki Argyropoulos sagt: „Es sind Kinder zu Schaden gekommen, das tut uns sehr leid. Wir haben daher dem Grunde nach anerkannt, auch, das möchte ich dazu sagen, wenn die Stadt im Rahmen der damals bestehenden Möglichkeiten die Vorfälle hätte nicht verhindern können.“

Von Entschuldigungsgespräch enttäuscht

Diese Meinungsverschiedenheit zwischen dem Jugendamt und der Mutter bleibt. Außerdem hätte sich die Mutter von der Stadt mehr Unterstützung bei Wohnungs- und Jobsuche für die Kinder erhofft und war von einem Entschuldigungsgespräch enttäuscht. Deshalb macht sie das im Oktober rechtskräftig gewordene Urteil nun öffentlich.

Ihr Anwalt Benda findet auch, „dass die Mitarbeiter, die hier konkret mit dieser Einrichtung befasst waren, jedenfalls strafrechtlich zur Verantwortung hätten gezogen werden müssen, weil es ja einen Vorfall gegeben hat, wo sich ein Mädchen geäußert hat, dass es hier zu Übergriffen kommt, und man das hier nicht ordnungsgemäß verfolgt hat.“ Nicht etwa das Jugendamt, sondern die Mutter schaltete damals die Polizei ein. Die Stadt betreibt seit dem Vorfall übrigens selbst keine Wohngemeinschaften mehr, sondern bringt Kinder in Wohngemeinschaften von gemeinnützigen und privaten Betreibern unter.

Im September 2013 standen die drei Beschuldigten in Graz vor Gericht. Die Urteile lauteten 18 bzw. 24 Monate Haft. Zwei Burschen hatten die Urteile angenommen - mehr dazu in Missbrauch in Jugend-WG: Urteile gefällt (19.9.2013).