Verhetzung: Zehn Identitäre angeklagt

Die Staatsanwaltschaft Graz hat gegen zehn führende Mitglieder der auch vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingeschätzten Identitären Bewegung Anklage erhoben. Es geht dabei um Verhetzung und kriminelle Vereinigung.

Schon im April fanden unter anderen bei Identitären-Sprecher Martin Sellner und Kochef Patrick Lenart Hausdurchsuchungen statt - mehr dazu in Hausdurchsuchungen bei Identitären (28.4.2018). Nun brachte die Staatsanwaltschaft Graz gegen zehn führende Vertreter der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) sowie gegen sieben weitere aktive Sympathisanten Anklage ein - wegen Verhetzung und krimineller Vereinigung, teils auch wegen Sachbeschädigung und Nötigung.

Staatsanwaltschaft Graz

ORF

Der Großteil der Beschuldigten war laut der Erklärung der Behörde bereits 2012 an der Gründung des „Vereins zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“ beteiligt. Neben den registrierten Vereinsmitgliedern besteht die Gruppe auch aus einer Vielzahl an aktiv unterstützenden Sympathisanten.

Finanziert wird die rechtsextreme Gruppe zu einem großen Teil aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. „Die Vertreter der IBÖ sehen die kulturelle europäische Identität durch Multikulturalismus, Liberalismus und Islamisierung bedroht. Die IBÖ und ihre Aktivisten streben die strikte Trennung der in Europa lebenden Völker an und lehnen die kulturelle ‚Vermischung‘ der Ethnien ab“, geht aus der Aussendung der Staatsanwaltschaft hervor.

„Islam mit islamistischem Terror gleichgesetzt“

Seit der Gründung der Bewegung in Österreich versuchten Vertreter der rechtsextremen Gruppierung ihre „fremdenfeindliche Ideologie durch provokante Aktionen, Internetauftritte, Demonstrationen, Stammtische, Plakatierungen sowie den Verkauf von Propagandamaterial über ein von zwei der Angeklagten im Jahr 2016 eigens dafür gegründetes Unternehmen (Versandhandel, Anm.) zu verbreiten“.

Dabei nützten sie die auch in der österreichischen Bevölkerung stetig zunehmende Angst vor radikalislamischen Terroranschlägen, um den Islam generell mit islamistischem Terror gleichzusetzen und jede in Österreich lebende, der muslimischen Bevölkerungsgruppe zuzuordnende Person als potenziell terroristisch darzustellen, erklärte der Ankläger.

Mit oft spektakulären Aktionen sei es den führenden Mitgliedern der IBÖ vor allem seit Jahresanfang 2016 gelungen, die Bekanntheit ihres Vereins zu steigern. Mit ihrem Versandhandel mit dem Verkauf von Kleidung wie Leibchen, Jacken und Hosen mit Uniformcharakter, Buttons, Plakaten und Aufklebern, die das Zeichen oder Parolen der Gruppe als Logo tragen, sowie Büchern und Tonträgern sei ein „florierendes Unternehmen“ aufgebaut worden.

"Identitäre Bewegung"

APA/Erwin Scheriau

Mit den erzielten Erlösen der Gesellschaft erwirtschaften sich laut Anklage zwei der Beschuldigten nicht nur ein regelmäßiges Einkommen, sondern sie finanzieren damit auch zum Teil die Aktionen der rechtsextremen Gruppierung, um dadurch den Umsatz ihres Unternehmens weiter anzukurbeln.

„Provokante Aktionen“

In der Anklage werden mehrere der Aktionen der Gruppe thematisiert: Im April 2016 brachten einige der angeklagten Personen gemeinsam mit weiteren unbekannt gebliebenen Sympathisanten am Dach eines Hauses in Graz, in dem sich das Büro der steirischen Grünen befindet, ein 16 Meter breites Transparent mit der Aufschrift „Islamisierung tötet“ an.

Aktion der Identitären

Identitäre Österreich

Eines der führenden Mitglieder übergoss das entrollte Transparent mit Theaterblut und verkündete über Lautsprecher, dass die Grünen und die SPÖ schuld am Terror seien und diesen nach Europa importiert hätten. An den Händen der Grünen und der SPÖ klebe Blut, weshalb das Blut auf das Dach ihrer Parteizentrale gebracht werde - mehr dazu in FPÖ-Bezirkspolitiker geht nach Identitären-Aktion (7.4.2016)

„Höchst islamfeindliche Parolen“

Der von dieser Aktion angefertigte Propagandafilm mit weiteren laut Staatsanwaltschaft „höchst islamfeindlichen Parolen“ wie etwa „Islamisierung und Einwanderung töten Europa. Wie viele Terroranschläge braucht es noch, bis ihr aufwacht? Wehrt euch und werdet aktiv. Komm in die Bewegung. Identitäre Bewegung“ wurde in der Folge über das Internet verbreitet.

Eine weitere in der Anklage gelistete Störaktion der Rechtsextremen ist jene in der Uni Klagenfurt: Im Juni 2016 stürmten mehrere Angeklagte gemeinsam mit weiteren unbekannten IBÖ-Mitgliedern während einer Vorlesung über Asyl und Migration einen Lehrsaal und entrollten am Podium Transparente mit den Aufschriften „Stoppt Zuwanderung“ und „Integration ist eine Lüge“. Sie verteilten im Saal Flugblätter mit der Aufschrift „Integration ist eine Lüge“ und stellten eine Steinigung nach. Auch von dieser Aktion wurde ein Propagandafilm angefertigt und über das Internet verbreitet - mehr dazu in Identitäre stürmten Vorlesung an Uni Klagenfurt (kaernten.ORF.at, 10.6.2016).

Im März 2017 brachen zwei der Angeklagten mit weiteren unbekannten Mitgliedern der Gruppierung im Stiegenhaus eines Wohnhauses in Wien einen Schlüsselkasten auf, gelangten so auf den Dachboden, kletterten durch eine Luke auf das Dach und befestigten dort ein fünf mal sechs Meter großes, die Silhouette von Prinz Eugen von Savoyen zeigendes Transparent mit der Aufschrift: „Erdogan - hol deine Türken ham!“

„Ziele: Zu Hass aufstacheln, verächtlich machen“

Ziel dieser Aktionen und öffentlichkeitswirksam betriebenen Propaganda der führenden Vertreter der rechtsextremen Gruppierung sei es, „zu Hass gegen die Religionsgesellschaft des Islam, gegen Muslime, Ausländer und Flüchtlinge und insbesondere auch türkische Staatsangehörige aufzustacheln und diese Gruppen durch Beschimpfungen in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen“, so die Staatsanwaltschaft Graz - das entspreche dem Vorwurf der Verhetzung. Die Behörde geht davon aus, dass es sich bei der IBÖ um eine kriminelle Vereinigung handelt, die darauf ausgerichtet ist, dass von ihren Mitgliedern Verhetzungen und Sachbeschädigungen begangen werden.

Der maßgebliche Strafrahmen für das sämtlichen Angeklagten angelastete Vergehen der kriminellen Vereinigung beträgt bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe, für Verhetzung (Paragraf 283) bis zu fünf Jahre.