Identitären-Prozess: Aktionen gestanden

Der Prozess gegen 17 Mitglieder und Sympathisanten der „Identitären“ ist am Freitag mit der Befragung von vier Angeklagten fortgesetzt worden. Obmann Patrick Lenart gestand Planung von Aktionen in Klagenfurt und Graz.

Die Anhänger der „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) müssen sich unter anderem wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung sowie Verhetzung verantworten. Sie sollen laut Staatsanwalt mit diversen Aktionen und verkauften Klebeplakaten zum Hass gegen Flüchtlinge und Muslime aufgerufen haben. Angeklagt sind auch Sachbeschädigungen und eine Nötigung, die bei einer Aktion in der Universität Klagenfurt stattgefunden haben soll. Am ersten Prozesstag ermahnte der Staatsanwalt die Angeklagten fast: „Sie können sein, was Sie wollen, aber Sie dürfen in Österreich nicht hetzen.“ Der Verteidiger bezeichnete den Verhetzungsvorwurf als „völlig daneben“ - mehr dazu in Identitären-Prozess: Diskussion um Hetze (3.7.2018).

Von „Hatern“ und „Trollen“

Der Staatsanwalt setzte seine am Mittwoch zum Prozessauftakt gestartete Befragung des Gründers Martin Sellner zu Beginn des zweiten Verhandlungstages fort und spielte ein Video aus dem Internet vor, in dem der IBÖ-Chef sagt, „trollen und haten“ seien normale Manöver im Internet. Das entspreche laut Staatsanwalt exakt der Anklage, nämlich dem Vorwurf zum Hass aufzurufen. Sellner widersprach dem Staatsanwalt und beteuerte, dass er „echte Verhetzungen“ stets gelöscht und diese nicht geduldet habe. „Haten“ sei in seinen Augen zum Beispiel bei einem Internet-Video „negative Kommentare zu hinterlassen“.

Von Türken und Erdogan-Anhängern

Danach sprach der Ankläger noch einmal die Aktion am Dach der türkischen Vertretung in Wien an: Auf dem Transparent war zu lesen „Erdogan, hol deine Türken ham.“ Der Staatsanwalt warf Sellner vor, dass damit alle Türken gemeint waren. Sellner erwiderte: „Wir meinten Erdogans Anhänger.“ „Das steht da aber nicht, es steht Türken“, so der Ankläger. „Das ist eine literarische Frage“, meinte dazu der 29-jährige IBÖ-Chef.

Nach Sellner wurde der Leiter der IBÖ Niederösterreich befragt. Der 27-Jährige gestand, bei der Aktion in Wien dabei gewesen zu sein. Er habe alles vorbereitet. Den Schlüsselkasten zum Dach habe er nicht aufgebrochen, denn „unser Credo war: keine Sachbeschädigungen“.

Job verloren wegen Identitären-Aktion

Kurz vor Mittag begann dann die Befragung von Patrick Lenart, einem weiteren Mitgründer. Der 30-jährige Philosophie-Student ist seit 2016 Obmann und schilderte, weshalb er für die Bewegung einsteht: „Der Hauptgrund war, dass ich gesehen habe, dass man sich in Österreich mit patriotischer Einstellung dauernd rechtfertigen musste.“ Er selbst habe wegen einer Aktion nahe der Wiener Votivkirche seinen Job verloren: „Nicht weil ich ein schlechter Arbeiter war, sondern weil mein Arbeitgeber Druck von anderen bekam“, sagte Lenart.

Der Mitgründer gestand, dass er sowohl die Aktion am Dach der Grünen-Parteizentrale in Graz als auch jene in der Universität Klagenfurt federführend geplant habe. Er verteidigte den Spruch „Islamisierung tötet“ mit ähnlichen Parolen wie etwa „Rassismus tötet“. Die Vorlesung in Klagenfurt habe man ausgewählt, weil bei dem Lehrgang „keine kritischen Stimmen zugelassen“ worden seien.

Der Richter befragte Lenart auch über Aufkleber der IBÖ, bei denen an den Ecken Rasierklingen versteckt waren. Der Obmann meinte, dass es „höchst unwahrscheinlich“ sei, dass es jemand von der IBÖ war, weil „das wäre ja dumm“. Diese Pickerl hätten negative Schlagzeilen verursacht und das sei nicht im Sinne der Bewegung.

Einzige angeklagte Frau befragt

Am Freitag wurde auch die einzige Frau auf der Anklagebank befragt. Die 18-jährige Weststeirerin war bei einer anderen Aktion in Graz beteiligt und habe dort ein Transparent hochgehalten. Erst am Tag davor sei sie das erste Mal bei einem Stammtisch der IBÖ gewesen: „Ich konnte mich mit den Themen identifizieren, etwa beim Thema Masseneinwanderung, weil ich habe schon schlechte Erfahrungen gemacht.“ Sie erklärte, dass in einem Lokal in Voitsberg „Asylanten“ Frauen sexuell belästigt hätten. Seither hätten die Männer dort Lokalverbot, schilderte sie.

Der Prozess wird am Montag mit der Befragung weiterer Angeklagter sowie eines ersten Zeugen fortgesetzt.