Emotionale Befragung beim Identitären-Prozess

Sehr emotional ist am Donnerstag die Befragung eines Zeugen im Prozess gegen Anhänger der Identitären Bewegung (IBÖ) in Graz verlaufen. Der Mann warf den Angeklagten vor, mit ihren Aktionen „den Hass aufzustacheln“.

Es ging bei der Befragung um einen Vorfall während einer Vorlesung an der Universität Klagenfurt, die sich mit Migration und Integration beschäftigte. Laut Anklage stürmten IBÖ-Mitglieder den Saal, stellten eine Steinigung eines Österreichers durch Frauen in Burkas nach und hielten über Megafon eine Rede. „Man konnte nicht sofort erkennen, was der Hintergrund war“, schilderte der Zeuge. Er wollte dem Redner das Megafon wegnehmen, dieser wurde aber von seinen eigenen Leuten abgeschirmt.

„Hat sich angefühlt wie eine Invasion“

„Ich habe selbst Migrationshintergrund, das hat mich sehr berührt“, erzählte der junge Mann, der während des Krieges 1995 aus Bosnien geflüchtet war. „Es hat so begonnen, solche Hassausbrüche, solche Hetze“, verglich er die Aktionen der IBÖ mit der Stimmung vor dem Krieg in seiner Heimat: „Es hat sich angefühlt wie eine Invasion, als die hereingestürmt sind“, meinte er.

„Ihr blödes Grinsen braucht da keiner“

Plötzlich unterbrach der Richter die Erzählung: „Was ist da so lustiǵ?“, fragte er einen der Angeklagten, der gelacht hatte. „Nichts“, antwortete dieser. „Ihr blödes Grinsen braucht da keiner“, setzte der Staatsanwalt nach. Da drehte sich der Zeuge um und sprach die Beschuldigten direkt an: „Wenn ihr in der Nähe von einem Konzentrationslager in Bosnien gelebt hättet, und die Kinder schreien gehört hättet, weil sie die Eltern umbringen, würdet ihr nicht so denken und so viel Hass in euch tragen“, brach es unter Tränen aus ihm heraus.

„Diese Menschen verhetzen, sooft sie nur können“

Er erzählte von seinen schwierigen Anfängen in Österreich, als er ohne Deutschkenntnisse in den polytechnischen Lehrgang gesteckt und von Mitschülern gequält wurde, weil er ein Ausländer war. „Ich bin dann in die radikale Islamisierung gerutscht“, erzählte er weiter - das sei passiert, weil er nur dort „als Mensch“ behandelt wurde. Diese Phase überwand er zwar bald wieder, doch die Traumatisierung ist heute noch spürbar. „Ihr schickt mit eurem Hass die Menschen in die Radikalisierung“, warf er den Angeklagten vor, von denen dann keiner mehr lachte.

„Hatten sie den Eindruck, dass diese Aktion zu Hass aufstacheln sollte?“, fragte der Staatsanwalt. „Eindeutig, diese Menschen verhetzen, sooft sie können.“ Er selbst will Sachen wie diese Aktion „weghaben aus meinem Kopf, das hat mich sehr belastet“.

Den Angeklagten - zehn führende Vertreter der als rechtsextrem geltenden IBÖ sowie sieben Sympathisanten - wird die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen: Sie sollen strafbare Handlungen begangen bzw. die Vereinigung gefördert haben, so die Staatsanwaltschaft - mehr dazu in Identitären-Prozess: Notizen im Mittelpunkt, Ähnliche Antworten im Identitären-Prozess (10.7.2018), Identitären-Prozess: Offenbar Störaktion geplant (9.7.2018), Identitären-Prozess: Aktionen gestanden (6.7.2018) und Identitären-Prozess: Diskussion um Hetze (4.7.2018). Der Prozess wird am Freitag mit weiteren Zeugen fortgesetzt. Ein Urteil könnte es bereits in der nächsten Woche geben.