„Staatsverweigerer“-Prozess: Kurioser Auftakt

Seit Montag stehen in Graz 14 „Staatsverweigerer“ vor Gericht - und gleich zu Beginn des Prozesses haben sich seltsame Szenen abgespielt. Die Angeklagten erkannten das Gericht nicht an und sprachen von „Personenstandsfälschung“.

„Guten Morgen, die Herren, was für eine feine Gesellschaft heute hier“, läutete einer der sechs aus der Untersuchungshaft in den Saal gebrachten Angeklagten den Prozess ein. Es waren die ersten Vorzeichen eines kommentarreichen Auftakts.

Großaufgebot an Polizei

Ein Großaufgebot an Polizisten und Beamten in Zivilkleidung sicherte das Landesgericht, vor dem Gebäude blieb es allerdings ruhig - keine Demonstration, keine „Herzerl-Plakate“ getreu dem rosaroten Logo des „Staatenbundes“. Wenig später im Gerichtssaal versuchten die „Staatsverweigerer“ dann aber den Saal als Bühne zu nutzen: Die lächelnde „Präsidentin“, in rosarotem Pullover und mit geflochtenen Haaren, wurde von maskierten Justizwachebeamten aus der Haft zu ihrem Platz geführt - ebenso wie die anderen fünf Angeklagten aus der U-Haft.

"Staatsverweigerer"-Prozess

APA/Erwin Scheriau

Heiter gab sich der letzte der sechs inhaftierten Verdächtigen: Der Deutsche schlenderte in kurzer Hose hinein und grinste mit beidhändigem Victory-Zeichen in die Kameras. Andere Beschuldigte dagegen versteckten ihre Gesichter hinter Zetteln.

„Jetzt heißt es Klappe“

Als die Richterin die Verhandlung begann und sich alle setzen durften, blieben die „Präsidentin“ sowie der Angeklagte neben ihr, ein Mann in reiferem Alter, demonstrativ stehen. Als die Oststeirerin zu ihren Generalien befragt wurde, begann sie zu erklären, dass sie nicht die besagte Angeklagte sei, sondern es sich um eine „Personenstandsfälschung“ handle. Die Richterin unterbrach die gestartete Ansprache: „Jetzt heißt es Klappe, das ist nicht Ihre Bühne, sondern meine.“

Der zweite Angeklagte begann ebenfalls schon bei den Generalien, sich zu „definieren“, wurde aber ebenfalls von der Richterin unterbrochen und murmelte dann nur noch vor sich hin. „Wenn Sie nichts sagen wollen, müssen Sie auch nicht“, sagte die Vorsitzende dem Angeklagten.

Die Dritte an der Reihe wollte erst gar nicht antworten, ob sie die angeklagte Person ist, sondern warf der Richterin Befangenheit vor, da sie auch die Untersuchungsrichterin gewesen sein soll - das wies die Vorsitzende allerdings kurz und knapp zurück: „Das muss wohl eine ähnlich aussehende Kollegin gewesen sein.“ Fragen der Angeklagten ließ die Richterin - vorerst - nicht zu.

Während die Richterin dann die Generalien der weiteren Angeklagten überprüfte, schritt der immer noch stehende zweite Angeklagte nach vorne, um sich die Namen der Verteidiger, die auf Schildern auf den Plätzen zu lesen waren, zu notieren - die kurze Aufregung bei den Justizwachebeamten legte sich allerdings wieder schnell. Erst beim deutschen Beschuldigten mussten die Wachorgane beinahe wieder eingreifen, denn der Angeklagte startete mit einem Zettel in Richtung Richterin und fragte, ob sie das ausgestellt habe. Als er keine Antwort bekam, sondern gefragt wurde, ob er „draußen warten will“, hielt er sich wieder zurück.

Für neuerliche Aufregung sorgte dann die Vereidigung der Geschworenen, denn einer der Ersatzlaienrichter hatte merklich sprachliche Verständnisschwierigkeiten. Die Angeklagten legten sofort Einspruch ein: „Der kann ja kein Deutsch.“ Die Richterin entließ ihn, zumal noch einige andere Ersatzgeschworene vereidigt wurden.

„Ohne Gewähr auf Zwischenrufe“

Als der Staatsanwalt mit seinem Eröffnungsplädoyer beginnen wollte, lief es abermals nicht nach Plan: Sowohl die „Präsidentin“ als auch der Deutsche redeten dauernd dazwischen. Die „Staatenbund“-Chefin meinte, sie habe keine Anklage erhalten. Beide Beschuldigten wurden abgeführt, durften aber nach Rücksprache mit ihren Verteidigern wieder in den Saal - „ohne Gewähr auf Zwischenrufe“, so ein Verteidiger.

„Da hört sich der Spaß auf“

Das Plädoyer des Staatsanwaltes ließ die Zwischenrufer und Störaktionen dann allmählich verstummen: Die Angeklagten hätten allesamt persönliche Probleme und Minderwertigkeitskomplexe, sagte er - als meist führende Mitglieder des „Staatenbunds“ hätten sie sich als erhaben über die staatliche Ordnung fühlen können. Damit nicht genug, verglich der Staatsanwalt die Ideologie des Bündisses mit jener der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Um ihren Staat durchzusetzen, seien sie weder vor Selbstjustiz noch vor dem Versuch, das Militär zum Putsch gegen die Regierung anzustiften, zurückgeschreckt. Die Hauptangeklagte bezeichnete der Staatsanwalt als eine der führenden Hasspredigerinnen Österreichs: Sie schüre Angst und Hass, „da hört sich der Spaß dann auf“.

"Staatsverweigerer"-Prozess

APA/Erwin Scheriau

Nach dem Staatsanwalt war der Verteidiger der Präsidentin des „Staatenbund Österreich“ am Wort. Er ersuchte die Geschworenen, nur die tatsächlichen Handlungen der Angeklagten zu beurteilen, denn „wollen kann man viel“. Er betonte in seinem knapp zehnminütigem Plädoyer: „Wir sitzen nicht zu Gericht über eine dschihadistische Vereinigung.“ Die Laienrichter sollten sich „auf den Staatenbund konzentrieren“ und nicht auf die als Vergleich erwähnten ähnlichen Vereinigungen in Amerika oder Deutschland. Das Delikt „Versuchte Bestimmung zum Hochverrat“, das einigen Beschuldigten vorgeworfen wird, sei „noch nie in einem österreichischen Verfahren vorgekommen“. Dieses Gesetz diene dazu, „Staatsstreiche hintanzuhalten“, während „diese Menschen nur ein etwas verqueres Gedankengut“ hätten.

Etwa 2.600 Mitglieder habe der „Staatenbund Österreich“ derzeit, so die Staatsanwaltschaft, 14 teils führende Akteure dieser Gruppierung stehen nun vor Gericht - mehr dazu in „Staatsverweigerer“-Prozess ab Mitte Oktober (31.8.2018).

Versuchte Bestimmung zum Hochverrat

Acht von ihnen wird vorgeworfen, dass sie wiederholt Offiziere des Bundesheeres dazu bringen wollten, den ehemaligen Bundespräsidenten sowie - teils ehemalige - Mitglieder der Bundesregierung aufgrund eines von ihnen selbst erlassenen Haftbefehls festzunehmen und dann eine militärische Übergangsregierung zu bilden. Das sei nur daran gescheitert, so die Staatsanwaltschaft, dass die Offiziere nicht mitgemacht hätten.

Die Anklage lautet in diesem Fall auf versuchte Bestimmung zum Hochverrat, im Falle einer Verurteilung würde der Strafrahmen zehn bis 20 Jahre ausmachen.

Staatsfeindliche Verbindung

Zwölf Angeklagten wird das Verbrechen der staatsfeindlichen Verbindung vorgeworfen, da sie selbst Staaten gegründet sowie Propaganda und Mitgliederwerbung für ihre Gruppierung betrieben haben sollen. Vier der Angeklagten wird auch Nötigung von Mitarbeitern von Banken, Behörden oder Gerichten angelastet.

Betrug

Zwölf Angeklagte müssen sich des Weiteren wegen teils schweren und gewerbsmäßigen Betrugs verantworten: Sie sollen selbst Dokumente wie Zulassungsscheine und auch Kfz-Kennzeichen ausgestellt und für diese dann Geld verlangt haben. Der Schaden soll mehr als 135.000 Euro betragen.

Erst kürzlich wurden bei Razzien weitere „Staatsverweigerer“ festgenommen; sie sollen allerdings nicht dem „Staatenbund Österreich“, sondern der ebenfalls staatsfeindlichen Verbindung „International Common Law Court of Justice Vienna“ (ICCJV) angehören - mehr dazu in Weitere „Staatsverweigerer“ festgenommen (11.10.2018) und in Sechs „Staatsverweigerer“ nach Razzia in U-Haft (4.10.2018).