„Staatenbund“-Kassierin: „Bin frei von Schuld“

Die zweite Woche des „Staatsverweigerer“-Prozesses in Graz hat am Montag mit der Befragung einer pensionierten Steirerin begonnen. Sie verwaltete die Finanzen des „Vereins“ und betonte: „Ich bin frei von Schuld.“

Schon die erste Woche des „Staatsverweigerer“-Prozesses brachte tiefe Einblicke in die Gedankenwelt der Angeklagten, die laut Anklage versucht hatten, ihren eigenen Staat zu leben - mehr dazu in „Staatsverweigerer“-Prozess geht in Woche zwei

Sichtschutz für Geschworene

Zu Beginn der zweiten Woche gab es dann eine Neuerung: einen Sichtschutz auf der Seite der Geschworenenplätze - Zuschauer des Prozesses mussten sich auf jene Seite des Saales setzen, von der aus sie die Geschworenen nicht sehen können. Hintergrund ist unter anderem, dass die Laienrichter von offenbar Anhängern des „Staatenbundes“ auf der Straße angesprochen und belästigt, teilweise auch verfolgt wurden, hieß es seitens des Gerichts.

„Kein Abschwören - nur Distanz, um rauszukommen“

Die Angeklagte, die am Montag befragt wurde, stellte sich mit einem dicken Aktenordner an den Befragungstisch und sagte - ähnlich wie die „Präsidentin“ - ihre einleitenden Standardsätze auf, ehe sie sich setzte: Darin hielt sie fest, dass sie nicht die angeklagte, juristische Person und daher auch „frei von Schuld“ sei.

Ihr wird nicht Bestimmung zum Hochverrat vorgeworfen, da sie beispielsweise bei den „Haftbefehlen“ nicht mitunterschrieben hatte - allerdings muss sie sich wegen Beteiligung an einer staatsfeindlichen Verbindung sowie Betrugs verantworten. Sie war bereits einmal aus der U-Haft entlassen worden, da sie sich vor der Gutachterin geläutert gezeigt hatte, später kam sie allerdings wieder in Untersuchungshaft.

"Staatsverweigerer"-Prozess

APA/Erwin Scheriau

„Wie kam es zu dieser erneuten Kehrtwende?“, wollte die Richterin wissen. „Wenn man inhaftiert ist, will man einfach raus, das war’s.“ Deshalb habe sie sich von der „Präsidentin“ distanziert und von einem „Irrweg“ gesprochen - tatsächlich war es aber nur Kalkül, bestätigte sie auf Nachfrage der Richterin: „Es war kein Abschwören, nur Distanz, um rauszukommen.“ Von einem „reumütigen Geständnis“ könne keine Rede sein, unterstrich sie.

„Vision für etwas Neues zum Wohle der Menschheit“

Bei der Befragung schilderte sie weiter, dass sie und die „Präsidentin“ - die sie übrigens bei einer Reichsbürger-Veranstaltung kennengelernt habe - eine „Vision“ hatten, „etwas Neues zum Wohle der Menschheit zu machen“. Mit ein Auslöser seien die Vorgänge an der Grenze in Spielfeld im Oktober 2015 gewesen, als Tausende Flüchtlinge ohne Kontrolle nach Österreich gelangten - so habe sie mit der Erstangeklagten den „Staat Steiermark“ gegründet.

„Liebevolle Konsequenzen“

Mehrfach betonte die Beschuldigte, dass sie in „Freude, Wahrheit und Liebe“ lebe und sie das auch dem „Gesetz der Resonanz“ zufolge von anderen zurückbekommen werde. „Liebe und Wahrheit haben aber nichts mit diesen ‚Akzeptanzschreiben‘ (laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um Drohschreiben, Anm.) zu tun. Heißt das, wenn ich nicht akzeptiere, ist es aus mit Liebe? Was ist die Konsequenz?“, fragte die Richterin. „Wir wollten mit liebevollen Konsequenzen arbeiten“, antwortete die Steirerin. „Eintragungen in Schuldenregister sind liebevolle Konsequenzen? Wollten sie einschüchtern?“, hakte die Juristin nach. „Das passiert ja ständig. Man kann ja mal den Spiegel vorhalten“, erwiderte die Beschuldigte.

„Ich bin stolz auf meine Fantasie“

Zu den Vorgängen an der Grenze führte die Angeklagte weiter aus, dass sie und die „Präsidentin“ wollten, „dass - wenn das Alte bricht - etwas Neues da ist“: „Wir wollten nicht den Staat Österreich beseitigen, der löst sich von selbst auf.“ Im „Staatenbund“ brauche es keine Wahlen und Parteien, beschrieb sie weiter - mit einer sogenannten „Befreiungsbestätigung“, die man erwerben konnte, schaffe man die „Befreiung vom Sklaventum“: „Ein lebender Mensch muss an sich keine Steuern und Abgaben zahlen.“

Als Ausweis dienten „Authentitätskarten“, die der „Staatenbund“ samt eines goldenen Fingerabdrucks ausstellte. „Handelt es sich dabei nicht um Fantasie-Urkunden?“, fragte die Richterin nach. Das wollte die Steirerin nicht bestätigten, schloss aber ihre Antwort mit den Worten: „Ich bin stolz auf meine Fantasie.“

„Ich gehe den Weg des geringsten Widerstands“

Die Beschuldigte war eigenen Angaben zufolge selbst mit einem „Staatenbund“-Kennzeichen durch ganz Österreich gefahren. Der Führerschein sei ihr von der „Firma“ Österreich „gestohlen“ worden, weil sie nicht zur Psychologin gegangen sei. Die echte Lenkberechtigung habe sie sich letztlich aber doch zurückgeholt, weil die Polizei „lästig“ geworden sei. „Wenn es lästig wird, unterwerfen sie sich wieder?“, wollte der Staatsanwalt wissen. „Ich gehe den Weg des geringsten Widerstands.“

Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt. Beim Prozess gegen 14 Mitglieder des „Staatenbundes“ geht es unter anderem um den Vorwurf der Bestimmung zum Hochverrat, ein Delikt, das bisher noch nie in Österreich verhandelt wurde; außerdem wird den Beschuldigten die Beteiligung an einer staatsfeindlichen Verbindung und Betrug vorgeworfen.