„Staatsverweigerer“: Sachverständige am Wort

In Graz wird am Montag der „Staatsverweigerer“-Prozess fortgesetzt. Dabei führte erstmals die psychiatrische Sachverständige ihr Gutachten zur Hauptangeklagten aus.

Sie habe mit der Hauptangeklagten eine charismatische und rhetorisch kompetente Frau erwartet, erklärte die psychiatrische Gutachterin am Montag vor dem Geschworenengericht - stattdessen fand sie aber aber einen Durchschnittsmenschen vor, eine Frau, die die Welt, aber auch ihr eigenes Leben verbessern habe wollen.

Auf der Suche nach Anerkennung

Als Vermögensberaterin war die hauptangeklagte Oststeirerin früher tätig - sie habe dort aber, so die Gutachterin wörtlich, das „Friede, Freude, Eierkuchen des Gutmenschtums“ nicht leben können und nach etwas anderem gesucht. Zunächst wählte sie die Esoterik - mit der sei aber kein Staat zu machen gewesen -, ehe sie in der Gründung des „Staatenbundes“ sozusagen tatsächlich ihren Staat und als dessen selbsternannte Präsidentin auch ein bis dahin ungeahntes Maß an Bedeutung und Selbstwert gefunden habe.

„Eine Position nicht am Ende der Hühnerleiter“

Die Gutachterin sprach dann von der Dynamik des Gruppensystems und bezeichnete die rund 2.700 Mitglieder, die der Hauptangeklagten gefolgt sind, als „Jünger“. Einige, die auf der Anklagebank sitzen, begutachtete sie ebenfalls und beschrieb sie als unreife, einsame, enttäuschte Menschen mit gescheiterten Biografien: „Auf der Suche nach einer Position in der Welt nicht am Ende der Hühnerleiter“.

Im „Staatenbund“ hätten sie eine Gemeinschaft gefunden, die sie scheinbar besser gemacht hätte und stark im Kampf gegen einen äußeren Feind, in dem Fall die Republik Österreich, so die Gutachterin, die auch sagte: „Das kennen wir ja schon aus der Geschichte.“

Gutachterin attestiert Zurechnungsfähigkeit

Die von den „Staatenbündlern“ ausgestellten Haftbefehle für Politiker seien ein Kollateralschaden gewesen, so die Gutachterin, die nicht ausschloss, dass die Angeklagten Gewalt für die Erreichung ihrer Ziele in Kauf genommen hätten. Die Hauptangeklagte sei zurechnungsfähig, attestierte die Gutachterin: Sie habe sich bewusst dafür entschieden, ihrer „Staatenbund“-Idee bis heute treu zu bleiben, das gebe ihr in ihrer Welt Bedeutung. Wahnhaft sei die Hauptangeklagte nicht, „aber wir sind hier in einem Prozess“, so die Gutachterin - und meinte in dem Fall nicht jenen vor Gericht.

Bisher wenig Einsicht erkennbar

Die insgesamt 14 Angeklagten blieben ihrer Sichtweise bislang weitgehend treu: Der wahre Staat sei ihr „Staatenbund“, sagten sie, der Staat Österreich hingegen nicht mehr als eine Firma, und die habe sie enttäuscht; private - meist auch finanzielle - Rückschläge waren bisher bei vielen der Angeklagten herauszuhören, die Einsicht ist es bisher weniger. Im Gegenteil: Sie würden sich vom Gericht genötigt und ihrer Freiheit beraubt fühlen, betonten sie immer wieder - mehr dazu in „Staatsverweigerer“-Prozess geht in Woche zwei (21.10.2018), in „Staatenbund“-Kassierin: „Bin frei von Schuld“ (22.10.2018), in „Staatenbund“-Prozess: Land- statt Grundbuch (25.10.2018), in „Staatsverweigerer“: „Keine Ahnung“ (5.11.2018), in „Staatenbund“: „Ich kenne mich da nicht aus“ (6.11.2018) und in „Staatenbund“: Ex-Generalstabschef als Zeuge (15.11.2018).