Schweinezucht sorgt für „Giftcocktail“ in Flüssen

Massentierhaltung ist der Grund für hohe Pestizid- und Antibiotika-Rückstände in zwei steirischen Gewässern - zu diesem Ergebnis kommt eine Greenpeace-Studie. Landes- und Bundespolitik weisen die Vorwürfe zurück.

In der Steiermark suchte sich Greenpeace zwei Gemeinden aus, die in der Schweinezucht besonders herausstechen: In Schwarzautal im Bezirk Leibnitz kommen auf rund 2.000 Einwohner 42.000 Schweine - das ist auch die Gemeinde mit den meisten Schweinen pro Einwohner in Österreich, in St. Georgen an der Stiefing (Bezirk Leibnitz) gibt es zehnmal mehr Schweine als Einwohner.

Greenpeace-Studie

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace testete Gewässer in jenen Regionen, in denen intensive Tierhaltung betrieben wird. Auch aus drei österreichischen Gewässern wurden Proben entnommen. In der Steiermark stellten die Umweltschützer sogar den dritthöchsten Pestizidwert aller 29 Proben in Europa fest.

„Besorgniserregende Ergebnisse“

Untersucht wurden im Rahmen der Studie „Dirty Waters“ der Schwarzaubach und die Stiefing. Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace spricht von „besorgniserregenden Ergebnissen“: „In diesen Flüssen und Bächen wurden bis zu fünf Tierarzneimittel auf einmal gefunden, davon jeweils zwei bis drei verschiedene Antibiotika. Hinzu kommt dann noch die Belastung dieser Gewässer mit Pestiziden. In der Stiefing wurden zum Beispiel sogar 38 verschiedene Pestizide nachgewiesen, das ist der dritthöchste Wert aller Proben, die wir genommen haben.“

Pestizide aus Anbau von Futtermitteln

Die nachgewiesenen Antibiotika kommen laut Theissing-Matei vor allem aus der industriellen Massentierhaltung. Da die Tiere die Medikamente großteils - um bis zu 90 Prozent - wieder ausscheiden, sind diese Antibiotika in der Gülle, in weiterer Folge auf den Feldern und durch den Regen dann in den Flüssen zu finden.

„Dort, wo wir die Proben genommen haben, wird vor allem sehr viel Futtermittel angebaut, sehr viel Mais angebaut für die Zehntausenden Schweine, die in dieser Region leben. Damit ist davon auszugehen, dass ein sehr großer Teil dieser Pestizide aus dem Anbau der Futtermittel kommt“, so Theissing-Matei.

Auch nicht mehr erlaubte Pestizide in Boden

Es wurden auch Pestizide gefunden, die jetzt in der EU nicht mehr erlaubt sind: „Wir gehen nicht davon aus, dass diese illegal angewendet wurden, aber es zeigt, dass solche Pestizide - nachdem sie verboten wurden - noch sehr lange im Boden vorhanden sind und zum Beispiel mit dem Regen ausgeschwemmt werden."

Umweltministerium weist Kritik zurück

Das Umweltministerium kritisierte in einer ersten Stellungnahme, dass die Untersuchungen nicht den „üblichen wissenschaftlichen Kriterien“ entsprächen. Die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) führe regelmäßig ein „Rückstandsmonitoring“ bei Trinkwasser durch. Die laut Umweltministerium repräsentativen Untersuchungen weisen in Bezug auf Rückstände von Antibiotika nach, dass es sich um Mengen im Bereich von Nanogramm handle und diese damit nicht gesundheitsgefährdend seien.

Zudem stammen sie laut Ministerium zum Großteil nicht aus der Landwirtschaft, sondern vom Menschen aus Medikamenten. In der Landwirtschaft sei der vorbeugende Einsatz von Antibiotika zur Leistungsförderung in Futtermitteln seit Jahren verboten, auch die Menge der in der Landwirtschaft eingesetzten Antibiotika sei seit Jahren rückläufig.

Greenpeace-Studie

Europaweit wurden in der Greenpeace-Studie in 70 Prozent aller Proben Antibiotika und in allen Proben Pestizide nachgewiesen: In Belgien waren es 70 Pestizide in einem einzigen Fluss, in Italien wurden in einem Gewässer elf Tierarzneimittel, davon sieben verschiedene Antibiotika, nachgewiesen.

Greenpeace-Sprecher Sebastian Theissing-Matei meinte dazu, dass die Tatsache, dass mehrere Antibiotika in den Flüssen und Bächen gefunden wurden, schon allein alarmierend sei: Antibiotika in der Umwelt würden ein mittelfristiges Risiko für Gesundheit darstellen. Die Proben seien auf Tierarzneimittel und auf in der Landwirtschaft genutzte Pestizide untersucht worden. Ein Teil der Arzneimittel seien auch für Menschen zugelassen, einige der am häufigsten gefundenen Medikamente seien aber ausschließlich für den Einsatz bei Tieren erlaubt, was den Zusammenhang zwischen den Testergebnissen und der intensiven Tierhaltung klar bestätige, so Theissing-Matei.

Bürgermeister überrascht

Alois Trummer, der Bürgermeister von Schwarzautal, zeigte sich am Donnerstag jedenfalls überrascht von dem Ergebnis. Er fordert strengere Kontrollen hinsichtlich der Medikamentengabe: „Ich sehe in erster Linie in Hinblick auf die Kontrolle der verabreichten Medikamente und Antibiotika Handlungsbedarf. Wenn verbotene Antibiotika oder Anabolika verabreicht werden, dann muss man schauen, wie es dazu kommen kann, dass das verbreitet wird. Man wird darüber diskutieren und sprechen müssen, inwieweit die Tierhaltung gesetzeskonform abzuwickeln ist.“

Landwirtschaftskammer will prüfen

Vonseiten der Landwirtschaftskammer heißt es, man werde sich prüfende Schritte vorbehalten. Die Landwirte würden sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen, so Werner Brugner, Direktor der steirischen Landwirtschaftskammer: „Es ist a priori offenbar so, dass alles wieder der Landwirtschaft umgehängt werden soll. Antibiotikarückstände kommen aus der Humanmedizin ebenso wie aus der Veterinärmedizin, wiewohl wir solche Dinge natürlich sehr ernst nehmen und darauf hinweisen, dass alle Landwirte nach den gesetzlichen Vorgaben zu produzieren haben, sowohl was die Anwendung von Veterinärmedizin als auch Pflanzenschutzmittel betrifft.“

Seitinger verweist auf Kontrollen

Auch der für die Landwirtschaft zuständige Landesrat Johann Seitinger (ÖVP) verweist auf die strengen regelmäßigen Kontrollen, er betont aber auch: „Die Frage, die wir jetzt auch prüfen müssen und mit den Veterinärabteilungen hinterfragen müssen, ist, ob hier Produkte außerhalb der tierärztlichen Verschreibungen eingesetzt worden sind. Das glaube ich nicht, denn grundsätzlich wissen unsere Tierhaltungsbetriebe alle, wie streng hier die Lebensmittelhygiene bzw. die Gesundheitsmaßnahmen in der Lebensmittelüberprüfung ablaufen.“ Gemeinsam mit dem Veterinärressort und dem Wasserschutzressort werde man die Sache gründlich aufrollen, so Seitinger.

Seit 2006 ist der Einsatz von Antibiotika zur Wachstumsbeschleunigung in der Schweinehaltung verboten. Die steirischen Grünen fordern in einer Aussendung Maßnahmen zur weiteren Antibiotika-Reduktion und eine bessere Datenlage - derzeit wisse man nicht, wie viele Betriebe die gesamte Herde behandeln, auch wenn nur ein Tier erkrankt ist.

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