Verdacht auf Masern: Bereits 50 Behandlungen

Bislang 14 Masernfälle sind in der Landessanitätsdirektion gemeldet worden. Auf der Grazer Kinderklinik stehen die Ärzte vor Herausforderungen: Seit 11. Jänner wurden 50 Patienten wegen des Verdachts auf Masern behandelt.

Vor rund drei Wochen ist der erste Masernfall in diesem Jahr bekanntgeworden - nun könnte die Entwicklung bedrohlicher werden: Mittlerweile wurde über ein Dutzend Fälle gemeldet und großteils bestätigt, weitere seien zu erwarten, hieß es am Dienstag - mehr dazu in Masern: Über ein Dutzend Ansteckungen.

Hinweisschild im LKH Graz: Masern

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Laut dem Grazer Kinderklinikvorstand Ernst Eber waren seit dem 11. Jänner rund 50 Patienten wegen Masern bzw. wegen des Verdachts behandelt worden. Fünf neue Verdachtsfälle wurden am Mittwoch ins LKH bestellt.

Schulbesuch untersagt

Am 21. Jänner hatte ein an Masern erkrankter Bub die Volksschule Anger im Bezirk Weiz besucht - er gilt als Kontaktperson zu jenem 15-Jährigen, der sich am 11. Jänner drei Stunden mit Masern im Wartebereich der Kinderklinik Graz aufgehalten hat. Nun wurde 26 nicht geimpften Kindern der Schulbesuch untersagt, „das heißt, die Kinder haben von uns Bescheide bekommen, dass sie bis zum Ende der Inkubationszeit am 10. Februar nicht die Schule besuchen dürfen“, so Bezirkshauptmann Rüdiger Taus.

Weitere Fälle sehr wahrscheinlich

Für eine Nachimpfung sei es in diesen Fällen zu spät - diese wirke nur 72 Stunden nach der Ansteckung, so Amtsärztin Ulrike Hammerl. Das Risiko, dass ungeimpfte Schüler bereits erkrankt sind, schätzt sie hoch ein: „Nach den derzeitigen Verläufen wissen wir, dass ein Kontakt von ein bis zwei Stunden im selben Raum ausreicht. Ich schätze es hoch ein, dass ich noch Sekundärfälle bekomme.“

Klinikvorstand Univ.-Prof. Dr. Ernst Eber (links) und Univ.-Prof. Dr. Werner Zenz

APA/ERWIN SCHERIAU

Klinikvorstand Ernst Eber (links) und Werner Zenz im Rahmen einer Pressekonferenz am Mittwoch im LKH Graz

Wie viele Fälle nun noch kommen könnten, ist laut Eber schwierig hochzurechnen, weil oft der Zufall entscheide. Um weitere Ansteckungen weitgehend ausschließen zu können, sei eine Herdenimmunität von 95 Prozent nötig, diese gibt es derzeit aber in der Steiermark nicht. „Es wäre ein großes Glück, wenn das nun das Ende wäre, aber wir rechnen nicht damit“, sagte Eber. Laut Werner Zenz, Experte für Infektionskrankheiten in der Pädiatrie, liegt die Durchimpfungsrate für die erste Impfung in der Steiermark derzeit bei 89 Prozent, für die zweite Impfung bei 79 Prozent.

Auch kein Zugang zu Arztpraxen oder Sportstätten

Die nicht geimpften Schüler dürfen laut dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft auch keine Kinderbetreuungs- oder Gesundheitseinrichtungen wie etwa Hausarzt oder Krankenhaus, keine Sporteinrichtungen wie Fußballplätze, Schwimmbäder oder andere öffentliche Veranstaltungen und Einrichtungen besuchen.

Volksschule Anger

Gemeinde Anger

Insgesamt gehen 134 Kinder in die Volksschule Anger

Weitere 15 Kinder der Volksschule in Anger haben nicht alle Teilimpfungen erhalten - sie können sich entweder nachimpfen lassen oder müssen über einen Bluttest nachweisen, dass sie ausreichend geschützt sind.

Maßnahme „ungewöhnlich, aber nötig“

Bezirkshauptmann Taus ist nach eigenen Angaben Befürworter der Impfprophylaxe, „damit genau solche Probleme vermieden werden“. Ihm zufolge seien keine Lehrer oder anderes Personal der Schule vom Verbot getroffen, da alle geimpft seien oder ihren Immunstatus nachweisen konnten. Die Maßnahme sei zwar „ungewöhnlich“, aber in Anbetracht der hohen Ansteckungsgefahr nötig.

Auch Klinikvorstand Eber hält die Reaktion für sinnvoll: „Das Kind hat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit alle anderen nicht geimpften Mitschüler angesteckt.“ Dass sehr viele Kontakte überprüft werden müssten, unterstreiche eine Zahl: Eine einzige Patientin mit Masern, die am LKH behandelt wird, habe bereits 51 Kontakte. Es reiche bereits, wenn diese im selben Raum waren. Von diesen 51 waren zehn noch kein Jahr alt. Von diesen wurden nun fünf als neue Fälle auf die Kinderklinik bestellt, um sie mit Immunglobulinen zu therapieren. Diese „passive Impfung“ hilft zu 83 Prozent gegen die Masern. Die klassische Doppelimpfung dagegen hilft zu 99 Prozent.

Auch Mutter dürfte sich angesteckt haben

Marianne Wassermann-Neuhold von der steirischen Landessanitätsdirektion schilderte am Mittwoch im APA-Gespräch, dass bei ihr 14 gemeldete Masern-Fälle auflägen. Von diesen seien mittlerweile zwölf bestätigt. Bei zweien - ein Fall war erst am Dienstag gekannt geworden - waren Mittwochmittag noch die Ergebnisse der Untersuchungen ausständig.

Unter den bestätigten Fällen sind drei erst im Jahr 2018 geborene Babys, bei denen eine Impfung vorher nicht möglich war. Bei den anderen Masern-Infektionen handelt es sich um Kinder, die eigentlich schon geimpft sein sollten. Außerdem hat sich auch eine 34-jährige Mutter angesteckt.

Vorwiegend „Impfgegner“

Die Ansteckungsgefahr ist auch zwei Stunden, nachdem ein Masernpatient den Raum verlassen hat, hoch - durch kleinste Tröpfchen, die zurückbleiben. Dementsprechend akribisch wurde an der Kinderklinik versucht, alle Personen nachzuverfolgen, die sich mit oder nach den Erkrankten im Wartebereich aufgehalten haben.

Doch das ist laut Wassermann-Neuhold ein schwiediges Unterfangen. Am Mittwochvormittag hatte die routinemäßige Sitzung aller steirischen Amtsärzte stattgefunden. Die Masern seien das vorherrschende Thema gewesen. Den Ärzten zufolge handelt es sich bei den Masern-Fällen vorwiegend um „Impfgegner“, aber nicht alle: „Manche hatten Impftermine wegen Krankheit der Kinder verschoben und dann darauf vergessen.“

27 vorsorglich behandelte Babys aus LKH entlassen

Die Kinderklinik am LKH Graz entließ bereits 27 von 28 vorsorglich behandelten Säuglingen wieder: Sie waren einer Therapie mit Immunglobulinen unterzogen worden. Bei einem Baby bestehe der Verdacht einer Infektion, das Laborergebnis sei aber noch ausständig.

Masern Impfung

APA/dpa/Patrick Seeger

Zudem wurden seitens der Klinik elf weitere Eltern kontaktiert, deren Babys mit dem Virus in Kontakt waren - von ihnen kommen nun laut LKH fünf Säuglinge zur Therapie mit Immunglobulinen in die Kinderklinik.

Volksanwaltschaft fordert Impfpflicht

Volksanwalt Günther Kräuter hatte erst vor wenigen Tagen „endlich wirksame gesundheitspolitische Maßnahmen“ gefordert: „Seit Jahren fordert die Volksanwaltschaft eine konsequente Gesundheitspolitik gegen die hochansteckenden und gefährlichen Masern. Vor allem Kleinkinder, die noch nicht geimpft werden dürfen, sind die Leidtragenden.“

Statistisch gesehen würde ein an Masern Erkrankter rund 18 Personen anstecken. Eine Masern-Impfpflicht müsse in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen werden, was die Gesundheitsministerin allerdings bisher gegenüber der Volksanwaltschaft abgelehnt habe. „Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Diese Chance muss ergriffen werden, denn Aufklärungskampagnen und Appelle haben sich als letztlich wirkungslos erwiesen“, sagte Kräuter.

Hartinger-Klein: „Selbstbestimmung“

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sprach sich unterdessen am Mittwoch erneut gegen eine Impfpflicht aus: Man setze auf „Selbstbestimmung“ und Aufklärung durch das Gesundheitspersonal, dass Impfungen sinnvoll seien, sagte sie am Rande des Ministerrats.