Die Schwerpunkte von NEOS und Windberger

In Wahlkämpfen wird immer stärker auf Personen gesetzt, inhaltliche Schwerpunkte drohen dabei unterzugehen. Dabei steht hinter jedem Kandidaten eine Partei mit ihren Wertvorstellungen und Zielen.

Diese Serie zur EU-Wahl19 fasst die Themenschwerpunkte der steirischen Kandidaten zusammen und soll als Überblick über die Programme der Parteien und als Orientierungshilfe dienen.

Schwerpunkte des Kandidaten

Die Reform der Entwicklungszusammenarbeit sei ihm eine Herzensangelegenheit, betont Stefan Windberger: Er will sich dabei für einen Ausbau und ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedsstaaten bei der europäischen Entwicklungshilfe einsetzen - damit könne man effizienter zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen. „Wir müssen vor Ort Chancen schaffen; durch bessere Bildung, aber auch durch eine gescheite europäische Handelspolitik, weil nur wenn die Leute Chancen haben, sind sie nicht gezwungen, den Weg über das Mittelmeer anzutreten, wie das momentan leider der Fall ist“, so Windberger.

Die EU arbeitet zurzeit mit 150 Partnerländern zusammen und ist der größte Geber von Entwicklungshilfe-Geldern weltweit. Ziel der EU-Entwicklungszusammenarbeit ist die Verringerung oder überhaupt die Beseitigung von Armut. Geht es nach NEOS-Vorstellungen, sollen 1.000 Städtepartnerschaften zwischen Europa und Afrika entstehen.

Stefan Windberger schaut in die Kamera, vor ihm ist ein Mikrofon

ORF Steiermark/Alina Neumann

Mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung für EU-Bürger - das ist nicht nur die Forderung von Stefan Windberger: Seine Partei widmet diesem Punkt auch das erste Kapitel in ihrem EU-Programm. Windberger selbst will seine Arbeit „möglichst bürgernahe gestalten“ und alle österreichischen Bezirke besuchen, „um mit jenen Menschen über Europa sprechen, die sonst oft keine Gelegenheit dazu haben.“ NEOS will die Europäische Bürgerinitiative stärken, Volksabstimmungen sollen ab einer bestimmten Unterstützer-Zahl bindend sein. In Zukunft solle es den Bürgern auch möglich sein, europäische und nicht nationale Kandidaten ins EU-Parlament zu wählen.

Windbergers dritter Schwerpunkt ist im Bereich Wirtschaft angesiedelt. Er war selbst als Unternehmensberater und Unternehmensgründer tätig. Europa sei zwar die beste Idee, „die wir je hatten“, aber mittlerweile hinke man im globalen Wettbewerb hinterher - für eine zukunftsfähige Union brauche es schnellere Unternehmensgründungen, weniger Bürokratie und leichtere Finanzierungsmöglichkeiten, so Windberger.

Wofür die Partei außerdem steht

NEOS ist in seiner Ausrichtung betont pro-europäisch - sichtbarstes Zeichen ist wohl ein fiktiver EU-Reisepass, mit dem die Partei Wahlkampf macht. Die kommende Wahl bezeichnet sie als Weichenstellung, weil die Entscheidung diesmal nicht zwischen den großen Volksparteien, sondern zwischen Nationalisten und pro-europäischen Kräften fallen werde. Auf europäischer Ebene kooperiert NEOS mit der liberalen ALDE-Fraktion, eine Zusammenarbeit mit der Partei La Republique en Marche (LREM) von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron steht im Raum.

NEOS steht laut eigenen Angaben für „einen Reformprozess, der die Vertiefung und Erweiterung der EU vorantreibt.“ Das sind die Stichworte, die sich in den zahlreichen „Visionen“ und Maßnahmen zu einem Bild fügen: Mit ihrem Europa-Programm legt die Partei über 60 Seiten „Pläne für ein neues Europa“ vor.

Viel mehr EU

Die neue Gemeinschaft besteht für NEOS in den „Vereinigten Staaten von Europa“. „Wir wollen die Europäische Union weiterbauen, wir wollen sie nicht zerstören, wir wollen keinen Öxit, sondern wir wollen die Vereinigten Staaten von Europa“, sagt Windberger. Geht es nach der Partei, wacht ein EU-Finanzminister über das EU-Budget, das aus einer CO2-Abgabe und einer Körperschaftssteuer gespeist wird - derzeit hebt die EU direkt keine Steuern ein, sondern finanziert sich über die Beiträge der Mitgliedsstaaten. Ein EU-Außenminister vertritt die Europäische Union in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), das Einstimmigkeitsprinzip bei Entscheidungen zur GASP und zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik soll fallen.

EU-Armee soll für Verteidigung sorgen

Europa brauche zum Schutz der Außengrenzen, so stellt es sich NEOS vor, „eine echte Grenzschutzbehörde“: Frontex solle mit eigenen Mitteln Land-, Luft- und Seeüberwachung übernehmen. Eine gemeinsame EU-Armee mache die Beschaffung, Finanzierung und Nutzung von militärischer Ausrüstung effizienter und ein ebenfalls europäischer Nachrichtendienst sorge dann für Sicherheit, geht aus dem NEOS-Programm hervor. Im Hinblick auf die Neutralität meint Windberger: Die Neutralität sei für Österreich etwas sehr Wichtiges, die in der Zeit des Kalten Krieges sehr positiv für Österreich gewesen sei, aber „der Kalte Krieg ist vorbei.“ Man brauche eine gemeinsame Kommandostruktur und etwa europäische Luftraumüberwachung.

Um das Thema Asyl und Migration in Griff zu bekommen, überwacht eine EU-Asylbehörde die Verfahren, die schneller von statten gehen sollen. Bereits in Aufnahmezentren an den Außengrenzen wird festgestellt, wer in die EU kommt. Die Flüchtlinge und Migranten würden laut NEOS nach einem Verteilungsschlüssel auf die EU-Länder verteilt oder über Rückführungsabkommen in ihre Heimatländer gebracht werden. „Sonderentwicklungszonen“ und „Schutzzonen“ etwa in Somalia, Kenia, Libyen und Westafrika und an den Migrationsrouten sollen außerdem Abhilfe beim „Migrationsdruck“ schaffen - dort sollen Arbeitsmarkt und Sozialsystem offen stehen.

Gute und weniger gute Nachbarschaft

Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollen abgebrochen werden. NEOS fordert eine klare europäische Linie gegenüber Russland und steht „ausdrücklich zu den von der EU verhängten Sanktionen“. Den Westbalkan will man hingegen unterstützen, und Großbritannien möchte man weiterhin eine Türe für einen erneuten Beitritt nach dem Brexit offen halten.

Agrarförderungen als großes Thema

Kritikpunkt ist die sogenannte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP): 2017 gab die EU 41 Prozent ihres Budgets dafür aus - zu viel und nicht dorthin, wo die Förderungen tatsächlich gebraucht würden, meint NEOS. „Eine noch stärkere Umschichtung der Mittel hin zu Umwelt-Dienstleistungen der Landwirtschaft (Gewässerschutz, Pestizidreduktion, Biodiversität)“ und die Förderung strukturschwacher Regionen soll zu einer nachhaltigen GAP im Sinne des Klima- und Umweltschutzes führen.

„Der gelbe Sessel“

„Die Union muss wieder den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet sein“, fordert Claudia Gamon, Spitzenkandidatin von NEOS auf dem „gelben Sessel“ von ORF.at. Die „Vereinigten Staaten von Europa“ hält sie für alles andere als ein unrealistisches Ziel - mehr dazu in Gamon will Union näher an Bürger rücken (news.ORF.at)

Nur mehr eine Steuererklärung

Eine Art roter Faden, der sich durch das NEOS-Programm zieht, ist die Angleichung beziehungsweise Harmonisierung verschiedener Bereiche - so sollen etwa die Steuersysteme einheitlich geregelt werden, auch um „Steuerschlupflöcher“ zu vermeiden. Unternehmer brauchen in Zukunft nur mehr eine Steuererklärung, auf der alle Aktivitäten in der EU verzeichnet sind. Ein Abkommen solle dafür sorgen, dass es nicht zu Doppelbesteuerungen kommt.

Im sozialen Bereich sollen eine europäische Sozialversicherungsnummer und ein Pensionskonto eingeführt werden. Die Sozialsysteme sollten in der ganzen EU vergleichbar sein, die Leistungen allerdings „werden im Sinne der Subsidiarität nach wie vor auf nationaler Ebene geregelt“, so das NEOS-Programm.

Digitalisierung und veränderte Arbeitswelt

NEOS deklariert sich explizit für den „Wertebasierten Freihandel“ und "für den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung fordert man ein europäisches Wettbewerbsrecht, das auf die neuen Entwicklungen abgestimmt ist.

Beim Thema Arbeit spricht NEOS die fehlende einheitliche Anerkennung von Qualifikationen etwa im Pflegebereich und die Jugendarbeitslosigkeit an - diese liegt in Griechenland, Italien oder Spanien zwischen 30 und 40 Prozent. Für besonders wichtig erachtet es NEOS, dass Kindern und Jugendlichen bereits in der Schule die „neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes“ und vermehrt Sprachkenntnisse vermittelt werden: Dafür soll das Studenten-Austauschprogramms Erasmus auf den nichtakademischen Bereich, insbesondere für Lehrlinge, ausgeweitet werden.

Energieunion in der Europäischen Union

Das Abschlusskapitel widmet NEOS dem Thema Umwelt und Energie: „Die Natur ist unser ‚Lebenserhaltungssystem‘, deshalb müssen wir sorgsam mit ihr umgehen“, heißt es da. Man spricht sich für eine effiziente Kreislaufwirtschaft mit einheitlichen Standards aus. Nachhaltiges Wirtschaften soll auch in der Industrie ankommen. Ausgebaut werden soll die Energieunion, um erneuerbare Energien gut und grenzüberschreitend nutzen zu können. Das Verkehrsnetz muss nach Meinung von NEOS entsprechend ausgebaut werden, um den Transport schneller und umweltfreundlicher zu machen - das stärke die Wirtschaft und vermindere den Schadstoffausstoß.

Mit ihren Forderungen spricht NEOS durchaus unpopuläre Themen an, die wohl nicht überall in Österreich auf Gegenliebe stoßen - auch wenn das Ansehen der EU einer Eurobarometer-Umfrage vom Herbst 2018 mit 40 Prozent positiver Zustimmung so hoch war wie noch nie.

NEOS-Windberger: „Hat großen Crash gebraucht“

Bei der EU-Wahl kandidiert der Steirer Stefan Windberger auf dem dritten NEOS-Listenplatz. Auf seiner Agenda stehen mehr Mitbestimmung für EU-Bürger, Entwicklungszusammenarbeit und ein wirtschaftlicher Schwerpunkt - mehr dazu in NEOS-Windberger: „Hat großen Crash gebraucht“.

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