Analyse: Politische Situation als „Neuland“

Der „Ibiza-Skandal“ hat zu einem politischen Erdbeben in Österreich geführt. Der Grazer Universitätsprofessor Josef Marko spricht von politischem und verfassungsrechtlichem Neuland.

Am Abend kam es mit dem Zusammentreffen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zum bisherigen Höhepunkt eines ohnehin turbulenten Tages - mehr dazu im Liveticker. Kurz bestätigte im Anschluss, dass er Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Entlassung des Innenministers vorschlagen will: „Die Freiheitliche Partei hat angekündigt, dass sie - sollte Herbert Kickl aus dem Innenministerium entlassen werden - sich vollständig aus der Regierungsarbeit zurückziehen wird. Und davon gehe ich nach dieser Ankündigung aus“, so Kurz, der die FPÖ-Minister durch Experten ersetzen will.

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Übergangsregierung ohne FPÖ

Die FPÖ ist bei der Übergangsregierung nicht dabei - vor diesem Entschluss hat es den ganzen Tag über zahlreiche Gespräche in Wien gegeben.

Am Nachmittag hatte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) auf die Frage, ob sich die Länder für eine Ablöse von FPÖ-Innenminister Kickl eingesetzt hätten, geantwortet: „Es war uns sehr klar, dass das was der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten vorschlagen wird, in dem ganzen Szenario alternativlos ist - einschließlich aller personellen Geschichten.“

„Hat es noch nicht gegeben“

Bis zum späten Nachmittag war unklar, ob Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ankündigen würde - in welchem Fall die FPÖ sich aus ihrer Regierungsarbeit zurückziehen wollte. Der Grazer Politikwissenschaftler Josef Marko sprach von politischem und verfassungsrechtlichem Neuland.

Josef Marko

ORF

Josef Marko, Grazer Universitätsprofessor für Verfassungsrecht und Politikwissenschaft

Er unterstrich: „Diesen Weg hat es meiner Erinnerung nach so noch nicht gegeben, weil ja bisher davon ausgegangen worden ist, dass bei einem Koalitionsbruch die gesamte Bundesregierung zurücktritt und daraufhin der Bundespräsident die Minister, die im Amt sind, bittet bis zur Neuwahl und bis zum Zusammentreten der neuen Regierung die Geschäfte weiterzuführen.“

„Insgesamt nachvollziehbar“

Aus rechtlicher Sicht sei es jedoch nachvollziehbar, so Marko, dass das Innenministerium - wie es ÖVP-Vertreter forderten - derzeit nicht von einem Vertreter der FPÖ geführt werden solle.

Marko unterstrich: „Insgesamt ist das nicht nur aus ÖVP- sondern auch aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar, weil es doch sehr deutlich geworden ist, dass Strache in diesem berüchtigten Video mögliche Straftaten ankündigt, die möglicherweise dann auch tatsächlich begangen worden sind. Hier bedarf es einer unabhängigen Verfolgung durch die Exekutive und durch die Gerichtsbarkeit, sodass jeglicher Anschein, dass hier manipuliert worden ist, vermieden wird.“