Konwitschny: „Faust“ hat verlernt zu lieben

Nach mehr als 30 Jahren zeigt das Grazer Schauspielhaus wieder Goethes „Faust“. Udo Samel gibt den Mephistopheles, Jan Thümer den Faust; Regie führt Peter Konwitschny, der den Gesamttext verdichtet, und für den Faust nach wie vor aktuell ist.

Goethes „Faust“

Johann Wolfgang von Goethe griff in seinem 1808 veröffentlichten „Faust I“ die Geschichte des 1541 gestorbenen Wunderheilers und Alchemisten Doktor Faustus auf und weitete die Tragödie in „Faust II“ zu einer Menschheitsparabel aus. Das Drama um einen lebensmüden Wissenschaftler, der dem Teufel seine Seele verspricht, wenn er ihn von seiner Unzufriedenheit befreit, gilt als das bedeutendste und meistzitierte Werk der deutschen Literatur.

Schon im Jahr 2009 arbeitete Konwitschny mit Thümer und Samel bei „König Lear“ zusammen: „Die Zusammenarbeit ist nach wie vor wunderbar. Wir verstehen uns, wir können miteinander reden, wir können austauschen, was wir wissen, nicht wissen und herausfinden wollen - eine gute Basis zum arbeiten“, sagt Burgschauspieler Samel, der sich auch im Grazer Schauspielhaus immer gerne willkommen fühlt.

Vom Menschen zum Unternehmer Faust

In seiner Inszenierung verdichtet Konwitschny Faust I und Faust II zu einer Aufführung: „Es wird gutes Theater und eine Geschichte, die uns viel zu sagen hat. Erstaunlich war für mich das Aktuelle in Faust II - da wird der Weg vom Menschen Faust zum Unternehmer Faust gezeigt, und das ist unser roter Faden“, so Konwitschny, der meint, dass dabei ein Viertel Goethe erhalten bleibt: „Wenn man es an einem Abend spielen will, das dauert sowieso drei, vier Stunden, da muss man eine Menge streichen.“

"Faust"

Schauspielhaus Graz/Lupi Spuma

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 14.12.2012

„Faust stößt an seine Grenzen“

Faust ist für Konwitschny eine getriebene Persönlichkeit, die verlernt hat zu lieben: „Faust ist einer der charakteristischsten männlichen Entwürfe für die Zivilisation des Abendlandes, er steht für eine patriarchische, auf Macht und Besitz gegründete Gesellschaftsordnung. Er will Wissen, Beweise, stößt dabei an seine Grenzen und lässt sich darum mit dem Teufel ein. Die Liebe spielt eine große Rolle, Faust ist ein Mann, der verlernt hat, zu lieben, er kann sich nicht einlassen, hat Bindungsängste und flüchtet in die Arbeit. Das führt im Alter bei ihm zu großer Einsamkeit.“

„So ein Stück ist die Welt“

Konwitschny inszenierte schon zahlreiche Male in Graz: „Graz ist für mich eine zweite Heimat. Das Schauspiel wird sehr gut geleitet von Anna Badora, die Stimmung und der Arbeitswille sind einfach großartig hier, und es sind auch gute Schauspieler.“ Die aktuelle „Faust“-Produktion bereitete er etwa drei Jahre lang vor: „So ein Stück ist die Welt, da kann man sich Jahrzehnte damit beschäftigen.“

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