Die verlorene Kaffeehauskultur

Kaffeekultur hat in Österreich eine lange Geschichte. Doch in Graz sind prachtvolle, typisch österreichische Kaffeehäuser eine Seltenheit geworden - und mit ihnen verschwand anscheinend auch die Kaffeehausmentalität, wie nun eine Dissertation aufzeigt.

Gemütlichkeit, eine gediegene Atmosphäre und jede Menge Zeitungen sind die Merkmale eines typischen Wiener Kaffeehauses, wie sie bis zum Zweiten Weltkrieg auch in Graz oft zu finden waren.

Prachtcafes starben aus

Jedoch überlebte kein einziges dieser Grazer Prachtcafes - ganz im Gegenteil zu Wien: „Wien ist ja viel größer, und so konnten sich die Lokale, auch wenn sie während des Krieges sperren mussten, erhalten. Die Ausstattung war dann auch noch im Lokal. Dadurch, dass die Stadt Graz viel kleiner ist, wurden die Lokale anderweitig gebraucht“, sagt Sarah Schimeczek, die in ihrer Dissertation den Grazer Kaffeekult untersucht. In seiner ursprünglichen Form bis heute erhalten sei in Graz eigentlich nur noch das Weitzer geblieben.

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AK Steiermark

Im vorigen Jahrhundert waren Kaffeehäuser Kommunikations- und Informationszentren

Hektik statt Gemütlichkeit

Mit dem Verschwinden der typischen Prachtcafes verabschiedete sich auch die Kaffeehausmentalität: Dort, wo früher Gemütlichkeit war, herrscht heute Hektik, anstelle von stundenlangem Zeitunglesen und Tratschen ist ein Coffee-to-go und eine schnelle Zigarette getreten.

Zentren der Politisierung

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war der Kaffeehausbesuch den Männern vorbehalten: Sie diskutierten damals bei einer Tasse Kaffee politische Themen und spielten Billard und Karten; das kulturelle Leben der Stadt spielte sich in Kaffeehäusern ab, deswegen waren diese auch sehr prunkvoll ausgestattet.

„Zur Zeit des aufstrebenden Bürgertums haben die Männer die aktuellen Tagesgeschehnisse aus den Zeitungen erlesen und dann darüber debattiert, und so entstand auch die Politisierung. Man hat sich über aktuelle Themen unterhalten, das ist heute ja nicht mehr so - wir treffen uns kaum noch, um zusammen die Zeitung zu besprechen“, sagt Schimeczek, die selbst einen ganz besonderen Zugang zum österreichischen Kaffeekult hat.

100 Kaffeemaschinen in Familienbesitz

Ihr Großvater war der Besitzer des Grazer Kaffeehauses Humboldt, eines der damaligen echten Wiener Kaffeehäuser in Graz - es musste 1952 schließen. „Das Humboldt hat das moderne Zeitalter nicht überlebt. Die Leute saßen in den 50er Jahren nicht mehr stundenlang im Kaffeehaus“, erklärt Schimeczek. Übrig blieb bis heute das Porzellan, sehr viele Postkarten, die die alten Kaffeehäuser zeigen, und eine Kaffeemaschinensammlung, die stolze 100 Stück zählt.