„Wir spielen Gesellschaft“

Unter dem Titel „Press Staat für Revolution - zehn Anleitungen für Ihre persönliche Mini-Revolution“ hat Philipp J. Ehmann im Schauspielhaus Graz frei nach Srdja Popovics Roman „Protest“ ein interaktives Spiel rund um die Gesellschaft kreiert.

Das übliche Setting - hier Publikum, dort Bühne und Schauspieler - ist aufgehoben: Alle Besucher bekommen von Beginn an eine Rolle und einen Platz im Raum zugewiesen. Weiße Markierungen am Boden deuten die einzelnen Institutionen an: ein Gasthaus, ein Park, Magistrat, Glaubenshaus, Friseur, Polizei und Gefängnis. Schauspielerin Julia Gräfner führt in ihrer Rolle als Nachrichtensprecherin in den Bezirk „Libertalia“ ein.

„Press Staat for Revolution“

„Press Staat for Revolution“, wobei das Wort „Staat“ doppeldeutig mit zwei „A“ geschrieben wird, ist kein klassisches Theaterstück über Revolution: „Wir machen etwas ganz Spezielles, denn wir spielen - wirklich wie ein Spiel - Gesellschaft. Das Publikum darf, soll, muss zwei Stunden lang Revolution spielen, indem sie verschiedene Rollen bekommen und die auch ausspielen dürfen, aber gleichzeitig möglichst viel kreativen Freiraum haben, sodass auch wirklich Situationen entstehen, die spannend sein können, vielleicht zum Nachdenken anregen: Was sind denn die Machtstrukturen in unserer Gesellschaft, wie kann man denn die angehen und verändern, wie kann ich da persönlich meine Apathie ändern und eingreifen in das politische Geschehen einer Nation“ erläutert Theatermacher Philipp Ehmann, der das Stück entwickelt hat.

"Press Staat für Revolution"

Schauspielhaus Graz

Viele gesellschaftlichte Themen werden im Stück aufgegriffen: „Vor allem natürlich Unterdrückung - und wie die Machtstrukturen in einer unterdrückten Gesellschaft aussehen und funktionieren können - aber auch Möglichkeiten nach Popovic, wie ich die angehen kann und was ich da selber dagegen tun kann, damit die nicht mehr so unterdrücken.“

Anleitungen für die persönliche Mini-Revolution

Bei den Anleitungen für die persönliche Mini-Revolution gibt es mehrere Möglichkeiten und Strategien: „Die schauen zum Beispiel so aus, dass man alles mit Humor betrachten sollte, denn gerade unterdrückende Strukturen, die vielleicht gewaltvoll passieren, meist mit Humor nicht umgehen könen. Das ist nicht Teil ihres Systems, und darauf haben sie keine Antwort.“

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 19.12.2016

Akteur statt nur Zuschauer sein

Das Stück ist mehr ein Trainunglabor, eine spielerische Aufstellungsarbeit, bei der Grundmuster und Mechanismen unserer Gesellschaft interativ dargestellt werden. Mehr als 20 Proben mit unterschiedlichstem Publikum absolvierte Theatermacher Philipp Ehmann vor der Premiere: „Es wird praktisch alles improvisiert, der Abend wird jedes Mal anders sein. Wir versuchen natürlich, eine Struktur zu bieten, damit wir wissen, in diesem Rahmen wird sich der Abend bewegen, aber eigentlich hat das Publikum die volle Kontrolle über den Abend.“ Akteur statt nur Zuschauer sein, das Stück nimmt die Botschaft pragmatisch auf und führt das Publikum an die Kernfrage heran, wie das Individuum in die Gesellschaft hineinwirkt und diese mitgestalten und verändern kann.

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