50 Jahre: Musikprotokoll experimentiert weiter

50 Jahre feiert heuer nicht nur der steirische herbst, sondern auch das musikprotokoll, das Festival für Experimentelles und Richtungsweisendes aus dem Bereich der zeitgenössischen Musik.

Veranstaltungshinweis

Das musikprotokoll findet von 4. bis 8. Oktober in Graz statt. Das detaillierte Programm können Sie hier abrufen.

Insgesamt 34 Uraufführungen und acht österreichische Erstaufführungen erwarten das Publikum des diesjährigen musikprotokolls: „Es gibt auch einige Debüts: Das renommierte Streichquartett Quatuor Diotima wird gleich mehrere Konzerte mit Erstaufführungen spielen. Auch das Ensemble Phace - ein jüngeres Ensemble aus Wien - wird zu Gast sein und eine Uraufführung von Christof Dienz spielen. Dienz hat einst die legendäre Band Die Knödel gegründet, ist Fagottist und Komponist“, kündigt Ö1-Musikchefin Elke Tschaikner an.

Tanzmusik für Fortgeschrittene

Darüber hinaus lädt das musikprotokoll im Jubiläumsjahr auch zum Tanz: „Wir haben uns gedacht, wenn wir schon 50 werden, dann überlegen wir uns etwas Besonderes - nämlich einen Ball. Wir nennen es ‚Tanzmusik für Fortgeschrittene‘. Das RSO Wien spielt im Stefaniensaal, und das Publikum soll zu Uraufführungen tanzen, zu wirklich neuer Musik von Komponisten, die wir schätzen und normalerweise mit großen Orchesterwerken, Ensemblestücken beauftragen würden - angefangen von Bernd Richard Deutsch über Gabriele Proy bis zu Jorge Sanchez-Chiong“, so Tschaikner.

v.l.: Fränk Zimmer (Producer und Co-Kurator), Elke Tschaikner (Leiterin Ö1-Musikredaktion, Programmverantwortliche), Christian Scheib (Ö1, Co-Kurator) und Gernot Rath (ORF Steiermark-Kulturchef)

ORF/Regine Schöttl

Fränk Zimmer (Producer und Kokurator), Elke Tschaikner (Leiterin Ö1-Musikredaktion, Programmverantwortliche), Christian Scheib (Ö1, Kokurator) und Gernot Rath (ORF-Steiermark-Kulturchef)

Im Zuge des musikprotokolls wird übrigens auch das Stadtwerkehaus bespielt - warum, weiß Kurator Christian Scheib: „Die Geschichte mit dem Stadtwerkehaus ist vorerst einmal eine sehr persönliche: Ich bin schon seit langen Jahren sehr fasziniert von diesem Gebäude, bis ich eines Tages draufgekommen bin, dass es von 1931 ist. Und es gibt sehr wenig Architektur in Graz der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich so dezidiert zur Moderne bekennt.“ Weil sich das musikprotokoll ebendieser Moderne verpflichtet fühlt, sei die Wahl schließlich auf das Gebäude gefallen.

Sendungshinweis

„Der Tag in der Steiermark“, 2.10.2017

Wer es betritt, erhält zunächst Kopfhörer und einen Musikplayer, trifft auf beleuchtete Würfel, die einem ein Musikstück eröffnen - sie entstanden in Zusammenarbeit mit dem Austrian Cultural Forum New York, wobei sich 15 Künstler über eine jeweils dreiminütige Hommage einer berühmten Persönlichkeit widmen: Bernhard Lang etwa Robert Ashley, Christian Fennesz Cindy Lauper und Olga Neuwirth, die sich mit Patti Smith auseinandergesetzt hat.

„Stehlen, Träumen, Tanzen“

Das Festival für neue Musik lud seit 1968 in 2.000 Konzerten ein, stets besonders die Ohren zu spitzen - so auch im Jubiläumsjahr. Getreu dem Leitmotiv des steirischen herbstes 2017 inspirieren Rückblicke, Ahnungen und Aufbrüche ins Unbekannte auch das musikprotokoll, das sich darüber hinaus einen eigenen, bewusst übermütigen Titel gönnt: „Stehlen, Träumen, Tanzen“.

"musikprotokoll"

ORF

Radiohinweis

Ö1 berichtet zum Teil live in 20 Sendungen vom musikprotokoll.

Als Losung hatte musikprotokoll-Erfinder Emil Breisach einst „Reden erlaubt - und ab nun unbändige und kompromisslose Musik erwünscht“ ausgegeben - ob mit großem Orchesterklang, Mopeds auf der Bühne oder zeitunglesenden Musikern. „Es war am Anfang sehr schwierig, weil ein Teil des Publikums auch türenschlagend das Haus verlassen hat“, sagte Breisach im Jahr 1997.

Von Graz aus in die Welt

Die neue Musik aus dem Ghetto zu befreien war Breisachs Antwort auf den Nazi-Mief, der 1968 noch nicht verzogen war. Es folgten Jahr für Jahr Kompositionsaufträge, und die neue Musik bahnte sich von Graz aus international ihren Weg. „Das musikprotokoll war die einzige Institution, wo von der Neuen Musik auch Orchesterwerke aufgeführt worden sind“, so Komponist Friedrich Cerha.

"musikprotokoll"

ORF

Ein Labor für Musik

Das musikprotokoll fungiert als eine Art Labor, in dem – mit allem künstlerischen Risiko – das kundschafterhafte Aufsuchen der neuen Entwicklungen und Trends gemeinsam mit dem Publikum betrieben wird. Von Orchestermusik – mit dem ORF-Radio-Symphonieorchester Wien –, Musik für Ensembles und Kammermusik zu Performance und Klanginstallation reicht das heterogene Feld der vorgestellten Genres, in vielen Fällen mit eigens für das Festival entwickelten und produzierten Arbeiten.

"musikprotokoll"

ORF

Inhaltlich ist das Festival der zeitgenössischen und experimentellen Musik und intermedialen Spielformen gewidmet, deren aktuelle künstlerische Tendenzen und ihre herausragenden Vertreter vorgestellt werden, wobei sich die Einbindung österreichischer Positionen in internationale Zusammenhänge als ein roter Faden durch die Festivalgeschichte zieht.

"musikprotokoll"

ORF

Das musikprotokoll wird jährlich vom ORF veranstaltet; es ist eine Koproduktion von Ö1 und Radio Steiermark, die die aufgeführten Werke senden, in Kooperation mit dem Festival steirischer herbst.

Jelinek und Jubiläum

Zum 50. Jubiläum blickt der steirische herbst zurück und geht gleichzeitig auf Neues zu: „Where are we now?“ lautet das Motto, das Fragen zur Selbstverortung von Kunst und Gesellschaft stellt - mehr dazu in Jelinek und Jubiläum - der steirische herbst 2017.

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