Karl Böhm als kritisches Puppenspiel

Das Schauspielhaus Graz widmet dem nicht unumstrittenen Grazer Dirigenten Karl Böhm ein kritisches Stück: Nach einer Idee von Puppenspieler Nikolaus Habjan schuf Autor Paulus Hochgatterer ein detailliert recherchiertes Werk.

Karl Böhm war ein begnadeter Dirigent - im NS-Regime war er sogar auf der Liste der sogenannten Gottbegnadeten. Sein Wirken unter der Nazi-Herrschaft wird in den offiziellen Biografien aber gerne ausgelassen.

Sendungshinweis:

„Der Tag in der Steiermark“, 22.3.2018

„Graubereiche“ als Motivation

Das war die Motivation für das Stück „Böhm“ im heurigen „Anschluss“-Gedenkjahr, erzählt Initiator und Puppenspieler Nikolaus Habjan: "Ich finde einfach, die Biographie von Karl Böhm ist beispielhaft, wie stark muss man gewissen Dingen widersprechen, wie stark muss man sich gegen etwas stellen, wann macht man schon mit, wenn man sich nicht genug wehrt, wo ist da die Grenze. Das ist bei Böhm ganz spannend, weil da sehr viele Graubereiche sind, und gerade Graz ist natürlich interessant.“

Schauspielhaus Graz

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Zu wenig Kritik am Wirken des Dirigenten

Laut Habjan gehöre dieses Stück nach Graz, weil im Gedenkjahr nicht gerade sehr viel passiere in der Landeshauptstadt, so der Nestroypreisträger: „Karl Böhm, einer der großen, wichtigen Söhne von Graz, in Graz geboren, in Graz bestattet, der auch in Graz gewirkt hat. Es gibt in Graz ein paar Böhm-Büsten, es gibt die Dr. Karl-Böhm-Allee, aber Graz ist eine der wenigen Städte, vielleicht sogar die einzige Stadt, in der Böhm gewirkt hat, die sich absolut unkritisch mit Karl Böhm auseinandersetzt. Sogar Salzburg hat es geschafft, eine große, nicht übersehbare Tafel im Karl Böhm-Saal anzubringen, die Böhm als politisch fatal Irrenden bezeichnet."

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15 Puppen im Spiel

Insgesamt 15 Puppen bringt der 29 Jahre alte Habjan im Alleingang auf die Bühne. Im Zentrum steht der große Dirigent Karl Böhm.

Herausforderung für Puppenspieler

Puppenspieler Nikolaus Habjan, der alle Puppen im Stück produzierte, hat im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun: „Das ganze eben szenisch umzusetzen, ist ein Hammer, und ich habe noch nie mit so vielen Puppen auf einmal gearbeitet, auch nie so viele Rollen gespielt. Man erfährt einfach wahnsinnig viel. Das ist das Schöne bei den Stücken von Paulus Hochgatterer, da liegt so viel drinnen. Das, was gesagt wird, kommt im ersten Moment so direkt und sehr klar rüber, wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, steckt in jedem Satz eine fette Metapher drinnen.“

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Habjan über sein Böhm-Stück

Ausschnitte aus dem Stück sind auch im folgenden Gespräch zu hören, das Katharina Menhofer mit Nikolaus Habjan geführt hat - mehr dazu in Ö1-Kulturjournal vom 22. März

Lebensstationen mit Fragen

Detailreich und penibel recherchiert werden die Lebensstationen von Karl Böhm nachgezeichnet, ein Doppelgänger von Böhm wirkt als fragender Erzähler. "Ich glaube einfach, nicht nur Karl Böhm, aber auch er steht für viele Kreise in der Bevölkerung auf einem ganz hohen Podest, und vielleicht ist es ganz wichtig, an diesem Podest ein bisschen zu kratzen und genauer zu schauen“, so Habjan. Das Stück „Böhm“ von Paulus Hochgatter ist bis Juni im Schauspielhaus Graz zu sehen.

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