Eine Grenze schreibt Geschichte - Teil II

Dem „Leben an der Grenze“ widmet sich der zweite Teil der Schau „100 Jahre Grenze“ im Museum für Geschichte in Graz. Die Schau will eine Ahnung vom Leben an der Grenze zu Jugoslawien in den Jahren von 1919 bis 1945 geben.

Das Museum für Geschichte in Graz widmet sich mit insgesamt drei Ausstellungen der Grenzziehung der Steiermark zu Slowenien. Den Beginn machte die Zeit von 1900 bis 1918: Die Schau zeigte Grenzen auf, die in den Köpfen der Menschen zu wachsen beginnen - mehr dazu in Eine Grenze schreibt Geschichte.

„100 Jahre Grenze“

  • „1900 - 1918: Die Zeit vor der Grenzziehung“
  • „1919 - 1945: Leben an der Grenze“ von 13. September 2018 bis 24. Februar 2019
  • „1946 - 2018: Leben mit der Grenze“ von Frühjahr bis Sommer 2019

„Niemand wird richtig zufrieden sein“

Die großteils aus Fotos bestehende zweite Teil der Schau in drei kleinen Räumen greift in der Darstellung auf die Multimedialen Sammlungen zurück, und hier wiederum vor allem auf das Archiv Steffen. Eine größere Rolle als beim ersten Teil der „Ausstellung in drei Kapiteln“ spielt die Quellenauswertung auf slowenischer Seite: Hier steuerte das Nationale Befreiungsmuseum Maribor einen Teil an Bildern bei. Kontaktiert habe man auch Vertriebenenverbände beider Nationalitäten, aber „niemand wird mit der Ausstellung richtig zufrieden sein“, meinte Kurator Helmut Konrad.

Postkarten, Fotos, Faksimiles

Wie schon im ersten Teil der Schau über die Entstehung der Grenze nach dem Vertrag von St.-Germain-en-Laye 1919 bediente man sich hauptsächlich alter Postkarten, Fotos aus Privatsammlungen und Faksimiles von Dokumenten. Dazu zählt u. a. die „Grenzkarte“, die zum Übertritt und freien Aufenthalt in der jeweiligen Grenzzone berechtigte - viele Menschen besaßen noch Grundstücke, Äcker und Weinberge beiderseits der Grenze.

Auf einem Foto ist ein Verbot der Behörden zu sehen: „Das Fahren von Lastkraftwagen auf unbefestigten Straßen ist bei längeren Tau- oder Regenwetter verboten“ - eine Erinnerung daran, dass feste Straßen eher die Ausnahme denn die Regel waren. Und in der Steiermark fuhr man auf der linken, in Jugoslawien auf der rechten Seite.

Was verband, wurde zerstört

Die ungelösten Probleme wirtschaftlicher und politischer Natur eskalierten zusehends, 1941 marschierte Nazi-Deutschland vom seit 1938 angeschlossenen Österreich in Jugoslawien ein. Zu sehen sind Fotos von aufmarschierenden Soldaten der 125. Infanteriedivision in St. Veit am Vogau, von Erschießungen von Partisanen im Gefängnis von Celje (Cilli) durch Deutsche 1942.

Panzersperren bei Šentilj/St. Egidi als Hindernis gegen die deutsche Wehrmacht

Alfred Steffen, Multimediale Sammlungen/Univeralmuseum Joanneum

Panzersperren bei Sentilj/St. Egidi als Hindernis gegen die deutsche Wehrmacht

In einem Audiofile wird die Beschreibung eines Partisanenoffiziers von 1945 zugänglich gemacht, wie seine Einheit deutschsprachige Zivilisten erschießt. Was verband, wurde zerstört: Die Draubrücke in Marburg wurde 1941 von jugoslawischen Soldaten gesprengt, was in zahlreichen Bildern zu sehen ist. In Radkersburg fiel die Brücke über die Mur 1945 der Sprengung durch die deutsche Wehrmacht zum Opfer. Karten zeigen das Ausmaß der Vertreibung: Deportation von Slowenen ins „Altreich“ 1941, Konzentrationslager für Volksdeutsche in Slowenien nach 1945.

Misstrauen bis heute

Der Krieg und die gegenseitigen Vertreibungen sorgten bis in die heutige Zeit für Misstrauen und Emotionen, wie Kurator und Zeithistoriker Konrad anhand einer erst vor einigen Tagen in der Südsteiermark geführten Diskussion beschrieb. Die Lager der nach Österreich vertriebenen deutschsprachigen Bevölkerung waren über die ganze Republik verstreut: Wagna, Kapfenberg, Salzburg - viele wurden erst in den späten 1950ern aufgelöst, als die Bewohner sich in den langen Jahren schon einigermaßen mit Blumentöpfen und Hauskatzen eingerichtet hatten.

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