Was kann man heute von Prometheus lernen?

Die zentrale Ausstellung des steirischen herbstes nennt sich heuer „Prometheus Unbound“: Sieben Künstler setzen sich dabei in der Neuen Galerie mit dem Mythos von Prometheus als „Kulturbringer“ auseinander.

Laut den Erzählungen der griechischen Mythologie brachte Prometheus den Menschen das Feuer. Mit diesem grundlegenden Frevel gegen die Götter gilt der Titan als Symbolfigur des zivilisatorischen Fortschrittes und Befreier der Menschheit von religiösem und politischem Autoritarismus und den Gewalten der Natur. Von den Göttern wurde er jedoch zur Strafe an einen Felsen gekettet, damit ihm ein Adler immer wieder aufs Neue die Leber aus dem Leibe herauspickt.

Zwischen Schicksal und Selbstbestimmung

„Was können wir heute noch von Prometheus lernen?“, fragte sich der italienische Ausstellungsmacher und oftmalige Kurator des steirischen herbstes, Luigi Fassi, bei der Konzeption der aktuellen Schau in der Grazer Neuen Galerie. „Die Gestalt des unsterblichen Titans, der zur Strafe für seinen frevlerischen Diebstahl angekettet wird, ist eine eindrückliche Darstellung des Dualismus zwischen den Bereichen des Göttlichen und des Menschlichen, zwischen Schicksal und Selbstbestimmung“, wie es der Kurator formulierte.

Ausstellungstipp:

„Prometheus Unbound - Der entfesselte Prometheus“ - zu sehen in der Neuen Galerie am Universalmuseum Joanneum

„Die Figur biete sich an, um zu hinterfragen, was die europäische Kultur eigentlich ist, wie sie entstanden ist, wohin sie geführt hat - und was ihre Beziehung zu anderen Kulturen ist“, so Fassi. Eine Fülle von Fragen, die die geladenen Künstler Lothar Baumgarten, Jonathas de Andrade, Yervant Gianikian und Angela Ricci Lucchi, Friedemann von Stockhausen, Clemens von Wedemeyer sowie Aimee Zito Lema nur zum Teil aufgenommen haben.

Prometheus’ „Opferbetrug“

„Sacrificial parts“, nennt der Berliner Künstler Friedemann von Stockhausen die speziell für die Ausstellung konzipierten Werke im ersten Saal der Grazer Schau: Zwei Fellobjekte am Boden nehmen einerseits auf Prometheus’ sogenannten „Opferbetrug“ Bezug, in dem der Titan den Göttervater mit einem Artefakt betrogen hat. Eine meterlange Collage aus organischen Formen hat der Künstler mit schweren Nägeln an die Wand gespickt - möglicherweise als Verweis auf das tragische Ende des Helden.

"Sacrificial parts"

steirischer herbst/wolf sieveri

„Sacrificial parts“

Lavastein, Asche, gepresste Kohlestücke, Adlerfedern, geschmiedete Metalle sind die Materialien, die direkt auf den Feuerbringer und die harte Sanktion der Götter Bezug nehmen: Mit ihnen hat Lothar Baumgarten im folgenden Saal seine Installationen gestaltet.

"Unsettled Objects"

steirischer herbst/wolf silveri

Mit der Diaprojektion „Unsettled Objects“ (1968) wird aber auch eine Arbeit gezeigt, in welcher der Künstler darüber reflektierte, inwiefern Wissen über andere Kulturen in westlichen Museen als „das Andere“ vermittelt und zur Schau gestellt wird.

Die Perspektive prägt den Blick

Um die vielförmige Identität Brasiliens, in dem eine Vielzahl von Kulturen und Traditionen aufeinandertreffen, kreist die mehrteilige Arbeit „Eu, mestico/ Me, a Mestizo“ von Jonathas de Andrade, der erstmals in Österreich ausstellt. Ausgehend von Filmmaterial, das im Zweiten Weltkrieg hinter den Frontlinien aufgenommen wurde, lenkt Clemens von Wedemeyer den Blick auf die Frage, was man auf den historischen Filmaufnahmen nicht sieht und damit darauf, wie die jeweilige Perspektive den Blick auf die europäische Geschichte prägt.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 23.9.2017

Auch das italienische Künstlerduo Yervant Gianikian und Angela Ricci Lucchi arbeitet seit den 70er-Jahren mit Amateur-Filmfragmenten, die sie weiterbearbeiten und dadurch neue Bedeutungen hervortreten lassen. Gezeigt wird eine Reihe dieser Arbeiten, die sich mit an den Rand der Gesellschaft gedrängten Menschen und Kulturen auseinandersetzen. In der multimedialen Arbeit „Rond de Jambe“ fokussierte Aimee Zito Lema den gegen die Staatsgewalt auftretenden menschlichen Körper und stellt ihm den künstlerisch bewegten, tanzenden Körper entgegen.

Aimée Zito Lema: „Rond de Jambe”

Aimée Zito Lema/steirischer herbst

„Rond de Jambe“

Wer sich darüber hinaus tiefer mit dem jahrtausendealten Drama und den Ambivalenzen der Figur des mythologischen Feuerbringers beschäftigen möchte, kann sich in das von Fassi herausgegebene begleitende Booklet vertiefen.

Jelinek und Jubiläum

Zum 50. Jubiläum blickt der steirische herbst zurück und geht gleichzeitig auf Neues zu: „Where are we now?“ lautet das Motto, das Fragen zur Selbstverortung von Kunst und Gesellschaft stellt - mehr dazu in Jelinek und Jubiläum - der steirische herbst 2017.

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