„Herbst“: Künstliche Welten im Künstlerhaus

Optischen Illusionen und computergenerierter Virtual Reality widmet sich im Rahmen des steirischen herbstes derzeit eine Ausstellung im Grazer Künstlerhaus: Zwölf Künstler untersuchen dabei das Eintauchen in künstliche Welten.

Im Rahmen der Ausstellung „Artificial Paradise? Immersion in Raum und Zeit“ hat Kurator Jürgen Dehm in der „Halle für Kunst & Medien“ zwölf immersive Arbeiten versammelt. Immersiv bedeutet häufig auch interaktiv - deswegen ist die Schau auch eine Mitmach-Ausstellung: Immer wieder kann man mit einer Datenbrille Spaß haben.

"Artificial Paradise"

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Schon über dem Eingang verweist ein aus Überwachungskameras gebauter Luster von Addie Wagenknecht auf ungeliebte und vor allem ungefragte Immersion. Olga Fedorova verwendet bei ihren Lentikulardrucken jene Technik, die es als Kippbilder sogar auf „lustige" Postkarten geschafft hat. Gerriet K. Sharma versucht, mittels synthetischer Klänge synthetische Räume zu generieren, Frauke Dannert verwendet für ihre"cut-out“-Installation jene blaue Farbe, die für Blue-Screen-Technik angewandt wird.

Mit Datenbrille durch virtuelles Künstlerhaus

Im Foyer lässt sich mit der VR-Brille ein virtuelles Künstlerhaus erkunden: Der deutsche Künstler Manuel Roßner hat den Ausstellungsraum im Computer nach- und dort seine eigenen Exponate aufgebaut - der Besucher schlendert im virtuellen Raum entspannt zwischen relativ simplen, farbigen Skulpturen umher. Der Bezug zu einem Rilke-Gedicht, das mit seiner Zeile „Du musst dein Leben ändern“ der Arbeit ihren Titel gegeben hat, scheint allerdings weit hergeholt.

Kurzurlaub zum Bora Bora Atoll

Im Anschluss taucht man in die Arbeit des in New York lebenden dänischen Künstlers Jakob Kudsk Steensen ein: Unter dem Titel „Primal Tourism“ baute Steensen aus im Internet verfügbaren Bildern und Infos sowie aus Zeichnungen des 18. Jahrhunderts das Bora Bora Atoll in Französisch-Polynesien nach. Hier locken Palmen, Sandstrand und herrlich aussehendes Wasser in eines der angeblich teuersten und exklusivsten Reiseziele der Welt - dieser Luxus lässt sich im virtuellen Raum allerdings nicht wirklich nachvollziehen.

"Artificial Paradise"

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Computer baut eine eigene Welt auf

Ganz anders ist die Welt, die das deutsche Duo Banz & Bowinkel geschaffen hat: „Palo Alto“ dreht den Spieß um. Der Computer baut hier nicht die reale Welt nach, sondern erschafft sich seine eigene - der Besucher muss mittels Datenbrille versuchen, sich darin zurechtzufinden. „Den Computer interessiert es nicht, was real ist und was nicht“, umschrieb Friedemann Banz den Ansatz, der in eine Zukunft führt, in der nicht mehr der Mensch das Maß aller Dinge ist.

Sendungshinweis:

„Steiermark heute“, 26.9.2018

Auch in die Vergangenheit kann man als Besucher der Ausstellung reisen: Das Ölgemälde „Ideale Landschaft mit untergehender Sonne“ von Johann Kniep aus dem Jahr 1806 zeigt, wie sehr Künstler bereits früher versuchten, die Betrachter zum Eintritt in Fantasiewelten zu bewegen.

Ivana Basic schafft aus Staub vergängliche Körperskulpturen, die wieder zu Staub werden, Paul Chan kombiniert in einem Video Anarchie und Animation, Pop und Politik, und Harun Farocki zeigt in einigen Videoinstallationen, wie sehr Kriegsspiele am Computer bereits in die reale Kriegsführung Einzug gehalten haben.

Wie unterschiedlich sind Wahrnehmungswelten?

Der Schweizer Künstler Marc Lee präsentiert schließlich eine als App umgesetzte Version seiner Installation „10.000 Moving Cities - Same but Different“ aus 2010: Sie zeigt auf faszinierende Weise, wie anders sich eine Agglomeration in der Datenwelt präsentiert und führt vor Augen, wie dramatisch unterschiedlich bereits jetzt Wahrnehmungswelten sind. Nicht nur Graz ist hier nicht wiederzuerkennen. Noch ist die App nicht öffentlich erhältlich - auch das ist Zukunftsmusik.

Veranstaltungstipp

Der steirische herbst geht heuer bis 14. Oktober über die Bühne.

„Volksfronten“ beim steirischen herbst

Unter dem Motto „Volksfronten“ sollen heuer beim steirischen herbst „Überzeugungen erschüttert werden“, so Intendantin Ekaterina Degot bei der Eröffnung - mehr dazu in „Herbst“ will „Überzeugungen erschüttern“. Kernstück der 51. Ausgabe des ältesten europäischen Festivals für Gegenwartskunst ist ein Mix aus Installationen, Performances und diskursiven Arbeiten - mehr dazu in Der steirische herbst erfindet sich neu.

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