Graz: Bürgerbeteiligung startet

Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) tritt jetzt mit der Idee eines Bürgerbeteiligungsmodells an die Öffentlichkeit. Regelmäßig sollen alle Grazer über bestimmte Themen per Computer abstimmen können.

Bild der Internetplattform Pro Graz

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Pro Graz

Die Bürger sollen künftig auf der Plattform www.prograz.at über wichtige Grazer Themen mitbestimmen können

Genau ein Jahr vor der Gemeinderatswahl im Jänner 2013 scheint der Kampf um die Wählergunst jetzt zumindest inoffiziell eröffnet. Den Anfang machte die Grazer SPÖ mit der Bestellung ihrer neuen Stadtparteichefin und Spitzenkandidatin Martina Schröck, jetzt legt der amtierende ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl nach und stellte ein neues Bürgerbeteiligungsmodell vor.

Künftig sollen die Einwohner von Graz die Möglichkeit bekommen, bei wichtigen Themen mitzubestimmen. Als erste Wahlkampftöne will Nagl das allerdings nicht interpretiert wissen. Das Ergebnis der Abstimmung soll politisch bindend sein.

„Pilotversuch“ in 120.000 Haushalten

Vom 27. Jänner bis 10. Februar bekommen 120.000 Grazer Haushalte ein Kuvert mit Unterlagen und Informationen zugeschickt. In den Unterlagen enthalten sind auch fünf Fragen zu aktuellen Themenbereichen:

  • „Sind Sie dafür, mehrmals im Jahr BürgerInnenbefragungen zu konkreten Projekten in Graz und zu gesellschaftspolitischen Weichenstellungen durchzuführen?“
  • "Unterstützen Sie die Errichtung der Staustufe („Murkraftwerk") Puntigam?“
  • „Sollen BürgerInnen, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch die Mindestsicherung bestreiten, gemeinnützige Tätigkeiten (zehn Stunden pro Woche) für ihre Stadt verrichten?“
  • „Sind Sie für die Einführung eines verpflichtenden Sozialjahres (acht Monate) für alle StaatsbürgerInnen bis zum 27. Lebensjahr?“
  • „Sind Sie für die Einführung einer Umweltzone, in der ein Fahrverbot für abgasintensive Dieselfahrzeuge gilt?“

Abstimmungskarte und Code

Das Kuvert enthält eine Abstimmungskarte, die mit einem Code versehen ist. Damit kann man sich über das Internet einloggen und abstimmen. Wer keinen Computer hat, kann seine Antworten auch per Post schicken. Die Daten werden von einer Gruppe Ehrenamtlicher unter Aufsicht eines Notars ausgewertet.

Mit Code ins Internet

Der mitgeschickte Internet-Code soll Doppelabstimmungen verhindern.

Das Ergebnis sei für ihn bindend, sagt Nagl, der aber auch zugeben muss, dass Bundesthemen anderswo und nicht im Grazer Rathaus entschieden werden. Im Klartext kann also keines der Projekte, die abgefragt werden, tatsächlich von der Stadtpolitik beschlossen oder verhindert werden. Ein deutliches Votum der Grazer Bürger werde aber auch ein deutliches Signal an Wien sein.

„Ich möchte haben, dass die Themen, die für Graz wichtig sind, die gesellschaftspolitisch wichtig sind, auch zu Hause diskutiert werden und dass die Menschen das Gefühl bekommen, dass man mittun kann“, so Nagl.

Bis zu vier Befragungen pro Jahr denkbar

Ziel der ersten Umfrage sei laut Nagl, dass ein Fünftel der Wahlbeteiligten in Graz mitstimme, das wären rund 40.000 Personen. Sollte das Bürgerbeteiligungsmodell auf reges Interesse stoßen, kann sich der Grazer Bürgermeister auch vorstellen, solche Befragungen wie in der Schweiz üblich, drei bis vier Mal jährlich durchzuführen. Das Ergebnis der ersten Befragung soll Mitte Februar feststehen.

Negative Reaktionen auf Nagl-Vorstoß

Die Grazer Vizebürgermeisterin Lisa Rücker (Die Grünen) zeigte sich skeptisch. Rücker erklärte, dass das Vorhaben wenig mit einer echten Bürgerbefragung zu tun habe: „Es ist bestenfalls Meinungsforschung, wie sie von der ÖVP ohnehin laufend hinter verschlossenen Türen betrieben wird.“

Wenig begeistert fallen auch die anderen Reaktionen aus. Die KPÖ sprach von einer „Freischaltung der ÖVP-Wahlkampfseite“. Die Befragungen seien „ein Witz und äußerst manipulativ“.

Der Grazer BZÖ-Chef und Gemeinderat Gerald Grosz zeigte sich über den Nagl-Slogan „Graz braucht Dich“ verwundert: "Nachweislich sind im Bürgermeisteramt tausende Bürgeranliegen unbeantwortet und unerledigt. Nagl habe die letzten Jahren „auf die Sorgen und Anliegen der Bürger in Graz gepfiffen“, so Grosz.

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