Kindesentziehung: Olivers Vater schuldig

Der Vater des fünfjährigen Oliver ist am Mittwoch in Graz wegen schwerer Nötigung und Kindesentziehung zu zwölf Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Der Däne sei über das Urteil „erschüttert“ - er kündigte volle Berufung an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Angeklagt war der 41-jährige Däne wegen Freiheitsentziehung, verurteilt wurde er wegen schwerer Nötigung und Kindesentziehung. „Ich sehe die zwei Gesichter jede Nacht“ - den Vater Olivers und seinen unbekannten Helfer: So beschrieb Olivers Mutter ihre Situation am Mittwoch vor Gericht.

Die Mutter Olivers

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„Habe versucht zu schreien, aber es ist kein Ton gekommen“

„Völlig erstarrt vor Schreck“

Bei der Aktion am 3. April vor einem Grazer Kindergarten habe sie zusehen müssen, wie der Vater das Kind umklammert hielt. „Ich habe Oliver angeschaut, er konnte sich nicht bewegen“, sagte die Mutter. Sie selbst sei zunächst völlig erstarrt gewesen vor Schreck, bevor sie losschreien konnte.

Der 41 Jahre alte Däne wiederum ist der Ansicht, dass er sich nichts zuschulden kommen ließ, denn die Kindesmutter besitze nicht einmal in Österreich einen rechtskräftigen Bescheid, der ihr das Sorgerecht über Oliver zustehe. Dem widersprach die Mutter in ihrer Aussage: Ihrer Meinung nach war sie aus Dänemark legal ausgereist. Ihr Ex-Partner habe achtmal versucht, einen Haftbefehl gegen sie zu erwirken, doch das hatte nie geklappt.

Sorgerechtsstreit geht weiter

Nach österreichischer Rechtslage ist es so, dass bei unehelich geborenen Kindern das Sorgerecht automatisch der Mutter zukommt. In Dänemark erhielt der Vater jedoch in beiden Instanzen das Sorgerecht gerichtlich zugesprochen - mehr dazu in Fall Oliver: Sorgerecht beim Vater (21.9.12).

Barbara Prasthofer, die Anwältin von Olivers Vater, sagte: „In diesen Urteilen ist es klar und nachvollziehbar, dass ihm nicht deshalb, weil er der bessere Elternteil, der bessere Vater ist, die alleinige Obsorge zugesprochen worden ist, sondern weil er besser als die Mutter differenzieren kann zwischen dem Paarkonflikt und dem Umstand, dass er sich zurücknimmt zum Wohle des Kindes Oliver.“

Prozess

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Das Urteil gegen Olivers Vater ist nicht rechtskräftig

Kindsvater für geteiltes Sorgerecht

Außerdem würde der Kindsvater noch immer ein geteiltes Sorgerecht anstreben. Olivers Mutter solle deshalb zurück nach Dänemark kommen - dort habe sie nach der Trennung von ihm nur 400 Meter weit entfernt gewohnt.

„Als Oliver dann in den Kindergarten gegangen ist, hat die überwiegende Betreuungsarbeit der Vater gehabt, auch dem Kindergarten gegenüber, weil er auch von zu Hause als IT-Techniker gearbeitet hat und die Mutter in einem Unternehmen als Managerin tätig war. Ich denke, dass das die ganze Krux in der Geschichte ist, dass der Vater subjektiv und objektiv die Hauptbezugsperson war – das wird den Vater auch so frustriert haben“, so Prasthofer weiter.

„Er hat das Kind traumatisiert“

Die Frage des Richters, ob sie sich noch einen gemeinsamen Weg für den Buben vorstellen könne, verneinte die Mutter am Mittwoch: „Er hat das Kind traumatisiert“, meinte sie bezüglich des Vaters. Unterstützt wurde sie dabei von einem Kinderpsychologen, der von ihrer Anwältin als Zeuge und nicht als Gutachter in den Zeugenstand gerufen wurde.

Psychologe: „Spätfolgen bis ins Erwachsenenalter“

Er sollte Videos von Oliver beim Zusammentreffen mit der Mutter in Dänemark Anfang September im Vergleich mit früheren Videos aus Österreich bewerten: „Für mich steht außer Zweifel, dass das Kind schwerstens und nachhaltig psychisch traumatisiert ist durch die Art, wie es von der Mutter getrennt wurde. Das Kind sucht den Fehler bei sich und hat - salopp gesagt - ein extrem schlechtes Gewissen der Mutter gegenüber.“ Der Kinderpsychologe sprach dabei auch von Spätfolgen, die bis ins Erwachsenenalter reichen können.

Auf die Frage der Anwältin von Olivers Vater, ob der Kinderpsychologe Oliver selbst gesehen habe, verneinte dieser - seine Einschätzung erfolge aufgrund der Videos. Olivers Vater betonte, Oliver habe in Dänemark psychologische Unterstützung bekommen.

Obsorgefrage war großes Thema

Ein großer Teil des Prozesses drehte sich aber nicht um die angeklagten Delikte, sondern um die Frage der Obsorge, die eigentlich nicht Gegenstand dieses Verfahrens war. „Ich hoffe, dass die Eltern eine Lösung finden, die für Oliver gut ist“, so die Staatsanwältin am Ende. „So etwas darf keine Vorbildwirkung haben“, meinte die Anwältin der Mutter.

Zwölf Monate bedingte Haft

Der Richter verurteilte den Dänen nicht wie angeklagt wegen Freiheits-, sondern wegen Kindesentziehung. Die schwere Nötigung blieb aber aufrecht: „Dass Sie versuchen, Ihr Kind zu bekommen, ist klar, und das Sie die Mutter nur mit Gewalt zurückhalten können, ist auch klar“, so der Richter. Verurteilt wurde er zu zwölf Monaten bedingter Haft.

„Lynch-Stimmung seitens österreichischer Medien“

Der Däne war nach dem Urteilsspruch „erschüttert“, so der Sprecher von Olivers Vater, Janus Bang, gegenüber der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau. „Wir fechten das Urteil an Ort und Stelle an, weil wir zutiefst schockiert sind. Thomas soll dafür bestraft werden, dass er von seinem Obsorgerecht Gebrauch gemacht hat“, zitierte Ritzau den Sprecher. „Er hat ein Gerichtsverfahren mit Lynch-Stimmung seitens der österreichischen Medien hinter sich. Dabei hat er nicht das Gefühl, etwas Falsches gemacht zu haben“, so Bang.

Mutter findet Urteil gerecht

Die Mutter von Oliver gab bei einer Pressekonferenz nach der Urteilsverkündung an, dass sie sich „sehr, sehr große Sorgen um Oliver“ mache. Denn das Grazer Urteil habe gezeigt, dass „der Vater kriminelle Energie hat“. Die Verurteilung ihres Ex-Partners sei gerechtfertigt - ein Freispruch „wäre ein Freibrief für alle Männer in Europa, sich ihre Kinder zu holen“. Ihre Anwältin Britta Schönhart sprach von einem „gerechten und angemessenen Urteil“, das gezeigt habe, dass „Gewalt nicht bagatellisiert werden darf“.

Vater meldete volle Berufung an

Nach der Urteilsverkündung meldete der Vater volle Berufung an. Die Staatsanwältin sowie Olivers Mutter gaben keine Erklärung ab - das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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