Studie über Schicksal von Besatzungskindern

Das Grazer Ludwig-Boltzmann-Institut (LBI) untersucht derzeit, wie Besatzungskinder des Zweiten Weltkriegs mit ihrem Schicksal fertiggeworden sind. Viele Kinder entstanden in freiwilligen Beziehungen, andere durch Vergewaltigung. Es werden noch Teilnehmer für die Studie gesucht.

Mutter mit Kind

LBI Graz

Mutter mit Besatzungskind

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Österreich und Deutschland viele sogenannte Besatzungskinder geboren. Es gibt nur wenige Themen in der Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen, die so tabuisiert sind, wie das Schicksal der Besatzungskinder. Nicht selten haben diese Kinder die Wahrheit über den leiblichen Vater erst sehr spät erfahren - viele wissen bis heute immer noch nicht, wer ihr Vater ist.

„In der Forschung hat es erst in den letzten Jahren eine gewisse Aufarbeitung gegeben. Da kommt Zeitgeschichteforschung auch die Rolle zu, diese Mauer des Schweigens einzubrechen und den Betroffenen auch die Chance zu geben, zum Teil erstmals in ihrem Leben darüber zu sprechen“, so die österreichische Projektleiterin Barbara Stelzl-Marx.

Vater „unbekannt“

Selbst ihre Zahl der Besatzungskinder kann nur geschätzt werden: „Laut Angaben der einzelnen Bundesländer wurden zwischen 1946 bis 1953 rund 8.000 Soldatenkinder geboren, die Gesamtzahl dürfte allerdings bei mindestens 20.000 liegen. Schließlich gaben viele Mütter bei der Geburt den Vater als ‚unbekannt‘ an“, so Stelzl-Marx.

Eheschließungen waren ausgeschlossen

Speziell Kinder sowjetischer Besatzungssoldaten wuchsen als eine „vaterlose Generation“ auf, so Stelzl-Marx weiter: „Gemäß Stalins Politik war die Eheschließung zwischen Rotarmisten und Österreicherinnen ausgeschlossen. Die meisten Armeeangehörigen wurden sogar zurück in die UdSSR versetzt, sobald eine derartige Liaison publik wurde“, so die Grazer Historikerin, die sich seit rund einem Jahrzehnt mit der Thematik beschäftigt.

Anmeldung zur Studie

Die Befragung erfolgt in schriftlicher Form, die Auswertung der Daten wird anonymisiert. Betroffene, die teilnehmen möchten, können sich am LBI für Kriegsfolgenforschung in Graz melden. Die Studie erfolgt in Kooperation mit der Universität Leipzig.

Wahrnehmungen aus Kindheit

Fest steht auch, dass viele dieser Kinder - gemeinsam mit ihren Müttern - unterschiedlichen Formen der Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt waren: „Speziell Kinder farbiger französischer Besatzungsangehöriger oder schwarzer GIs bildeten eine Angriffsfläche für rassistische, ideologische und moralische Vorurteile“, so die Historikerin. „Wir wollen herausfinden, wie die eigene Kindheit wahrgenommen wurde, wie das aktuelle psychische Befinden der Betroffenen ist und inwiefern das eine mit dem anderen zusammenhängt.“

Mehr Öffentlichkeit für Betroffene

Vielfach sind die Kinder bei Großeltern, anderen Verwandten, Pflege- oder Zieheltern aufgewachsen - und in Heimen, weil die Mütter, die keine Unterhaltszahlungen bekamen, alleine für sich und ihr Kind sorgen mussten, oder weil der spätere Stiefvater die Kinder ablehnte. Im familiären Alltag stießen die Kinder oftmals auf eine „Mauer des Schweigens“. Die Ergebnisse der Studie sollen den Betroffenen „mehr Öffentlichkeit“ geben.

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