Israelitische Kultusgemeinde Graz schrumpft

In zahlreichen Veranstaltungen wird in diesen Tagen der Opfer der Novemberpogrome vor 75 Jahren gedacht - auch in der Israelitischen Kultusgemeinde in Graz. Deren Mitgliederzahl schrumpft jedoch stetig: Derzeit zählt man 100 Mitglieder.

Das Novemberpogrom in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 - im Nazijargon „Reichskristallnacht“ genannt - hat in der Steiermark mehr als 2.000 Juden vertrieben oder sie das Leben gekostet. Im gesamten Deutschen Reich fanden in dieser Nacht von den Nazis gelenkte Gewaltaktionen gegen Juden statt - auch in Graz: Hier wurde - wie in vielen Städten - die Synagoge in Brand gesetzt, zahlreiche Juden wurden aus ihren Häusern geprügelt und in Konzentrationslager deportiert, ihre Wohnungen wurden geplündert und verwüstet.

Die Grazer Synagoge wurde im Jahr 2000 neu errichtet und ist seither das Zentrum jüdischer Kultur in der Steiermark. Allerdings für eine immer kleiner werdende Gruppe: Momentan zählt die Gemeinde 100 Mitglieder.

Synagoge Graz

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„Nie richtig vom Schrecken erholt“

Ruth Yu-Szammer, Präsidentin des Israelitischen Kultusvereins sagt: „Es sind etwa 50 Personen aus der Emigration zurückgekehrt und haben die IKG wieder aufgebaut, aber richtig erholt hat sich die Gemeinde von diesem Schrecken nie.“ Wegen des Mitgliederschwunds hat man jetzt mit der israelitischen Religionsgemeinschaft fusioniert und aus der Kultusgemeinde einen Verein gemacht, der sehr eng mit der Wiener Kultusgemeinde kooperiert.

Zu Verein zusammengeschlossen

Die Kernaufgabe des Vereins besteht darin, den religiösen Bedürfnissen der Juden in der Steiermark nachzukommen. Man hat sich aber auch zum Ziel gesetzt, der Öffentlichkeit jüdische Kultur näher zu bringen und gratis Führungen anzubieten: „Dadurch, dass wir die schöne Synagoge haben, führen wir Schulklassen beinahe täglich durch die Synagoge“, erzählt Yu-Szammer. Dabei wird ein Einzelschicksal näher beleuchtet: „So kann man den Kindern auch altersgerecht den Holocaust vermitteln, sodass man nicht überfordert oder zu sehr erschreckt.“

Finanzielle Hilfe vom Land

100 Schulklassen haben heuer die Synagoge besichtigt. Ab 2014, so Präsidentin Ruth Yu-Szammer, wolle man den Fokus auf interkulturelle Konfliktlösung legen: mit Hilfe von Besichtigungen des Betraumes, Geschichten von Vertriebenen und einer neuen Ausstellung. Im laufenden Jahr habe der israelitische Kulturverein 1.000 Euro vom Land Steiermark bekommen, für das neue Bildungsprojekt hofft man auf mehr finanzielle Unterstützung.

Stolpersteine Spielmann Annenstraße Graz

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Die Stolpersteine weisen an verschiedenen Punkten in der Stadt darauf hin, wo jüdische Einwohner vertrieben oder deportiert wurden - mehr dazu auch in „Stolpersteine“ des Gedenkens in Graz

Gedenken in der Steiermark

Aber nicht nur in der Synagoge, sondern in ganz Graz wird in diesen Tagen bei zahlreichen Veranstaltungen der Greueltaten in der Pogromnacht gedacht. So hat etwa der gebürtige Fehringer und heutige Medien- und Holocaust-Experte Friedrich Knilli in der Landesbibliothek einen Vortrag über die Arisierungen in Graz gehalten - ein Thema, das mit seiner Familiengeschichte eng verbunden ist: Sein Onkel hat 1938 durch „Arisierung“ ein Geschäft in der Annenstraße erstanden. Für die Familie Spielmann, die zuvor im Besitz dieses Geschäfts war und von den Nazis enteignet wurde, sind mittlerweile sogenannte Stolpersteine im Gedenken angebracht worden - mehr dazu auch in Friedrich Knilli erinenrt sich.

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