Landtag schafft Pflegeregress ab

Lange ist diskutiert worden, nun ist es fix: Der Landtag Steiermark hat am Dienstag die Abschaffung des Pflegeregresses einstimmig beschlossen. Ab 1. Juli sind keine Zahlungen mehr zu leisten. Rund 6.000 Steirer werden somit entlastet.

Mit seinem Amtsantritt hatte Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) im März einen „Nachdenkprozess“ angekündigt - mehr dazu in Drexler: „Problembereiche gut überlegen“ (26.2.2013) -, und der führte nun zur Abschaffung des erst 2012 wieder eingeführten Regresses.

Person mit Krücken wird gestützt

ORF.at/Birgit Hajek

Für den Pflegebereich bedeutet das eine Entlastung für Angehörige von jeweils 150 Euro im Monat.

Reorganisation des Pflegewesens

Beschlossen wurde in diesem Zusammenhang auch, dass der Rechnungshof künftig Pflegeheime prüfen können soll, die öffentliche Mittel beziehen. Weiters fordert der Landtag die Bundesregierung auf, ein österreichweites Pflegesystem zu entwickeln.

Der Forderung der FPÖ, sämtliche aus dem Regress eingenommenen Finanzmittel - rund 30 Millionen Euro - zurückzuzahlen, wurde von den „Reformpartnern“ von SPÖ und ÖVP zurückgewiesen. Weitgehend einstimmig - die KPÖ war in einem Unterpunkt dagegen - wurde hingegen ein Antrag angenommen, der eine Reorganisation des Pflegewesens mit einem neuen Verrechnungsmodell verlangt und die Landesregierung auffordert, mit Nachdruck an die Bundesregierung heranzutreten, damit langfristig eine verlässliche Pflegefinanzierung (Pflichtversicherung, Versicherungspflicht, steuer- oder beitragsfinanziert) entwickelt und spätestens ab 2019 wirksam wird.

„Kein Kraut dagegen gewachsen“

Die Steirer hätten das Gefühl, sie seien die Einzigen, die zahlen müssen - und gegen dieses Argument sei kein Kraut gewachsen, so Drexler, und tatsächlich war die Steiermark zuletzt das einzige Bundesland mit einer derartigen Regressregelung: „Dieses Alleinstellungsmerkmal führt uns in eine Sackgasse“, so der Gesundheitslandesrat.

Voves: „Wir mussten reagieren“

Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und sein Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sehen nun den Bund gefordert: In der Frage der Pflege müsse eine bundeseinheitliche Lösung getroffen werden, so Voves einmal mehr - mehr dazu in Pflegeregress: Voves deutet Ausstieg an (25.3.2014).

An seiner grundsätzlichen Haltung habe sich nichts geändert: „80 Prozent pflegen ihre Angehörigen daheim, und jene, die sie in Pflegeheimen unterbringen, sind nicht bereit, einen Beitrag zu leisten?“, so Voves. Dennoch: Weil die Steirer den Eindruck hatten, sie seien „Menschen zweiter Klasse“, habe man reagieren müssen.

„Hansaplast-Politik“

Schützenhöfer ergänzte, dass man darauf drängen werde, bis 2018 eine bundeseinheitliche Lösung zu finden - diese sei längst überfällig: „Die Frage, wer die inzwischen fünf Milliarden Euro, für die Bund und Länder aufkommen, zahlen soll, wird nicht gestellt, sie wird im Keim erstickt. Damit vergeuden wir das Geld derer, die noch gar nicht geboren sind, und daher drängen wir darauf, dass der Bund bis 2018 eine Lösung vorlegt.“ Der Pflegefonds, der 2016 bei 350 Mio. Euro eingefroren und bis 2018 fortgeschrieben werde, sei „Hansaplast-Politik“, meinte Drexler.

Ausfall wird über Einmalerträge kompensiert

Die derzeit noch geltende Regressregelung fällt mit 1. Juli, das gilt auch für den Regress bei der Mindestsicherung. Zuletzt leisteten 6.226 Personen Pflegeregress mit durchschnittlich 150 Euro im Monat. Der Entfall von zuletzt 11,12 Mio. Euro - plus 0,4 Mio. für 250 Regressfälle bei der Mindestsicherung - werde über Einmalerträge bis 2018 kompensiert.

FPÖ: Nicht länger Österreicher zweiter Klasse

"Ein guter Tag für die Steiermark, ein guter Tag für die steirische Bevölkerung“, resümierte FPÖ-Landtagsabgeordneter Hannes Amesbauer. Die „Kehrtwendung von SPÖ und ÖVP“ sei ausdrücklich zu begrüßen. „Nun kehrt endlich wieder Gleichheit unter den Bundesländern ein, die Steirer werden nicht länger Österreicher zweiter Klasse sein“, so Amesbauer.

Grüne: An die Zukunft denken

"Heute ist ein guter Tag für die Steiermark“, betonte die Grüne Landtagsabgeordnete Ingrid Lechner-Sonnek. "Jetzt müssen wir aber sofort weiterdenken: Wie können wir das System für die Betreuung und Pflege älterer Menschen endlich verbessern? Wir müssen dort ansetzen, wo andere Bundesländer bereits sehr gute Erfahrungen gemacht haben“, appellierte Lechner-Sonnek etwa für die Einführung eines Case- und Care-Managements – dieses kann Auskunft geben, was in jeder Region gebraucht wird, beziehungsweise in welchen Bereichen es eine Über- oder Fehlversorgung gibt.

KPÖ: Weg von gewinnorientierten Heimen

KPÖ-Landtagsabgeordneter Werner Murgg freute sich darüber, dass der Landesrechnungshof künftig alle Einrichtungen überprüfen darf, die vom Land Steiermark Förderungen beziehen. Die KPÖ drängt darauf, dass die zukünftige Pflegefinanzierung unter anderem durch einen Ausstieg aus gewinnorientierten privaten Pflegeheimen gesichert wird. „Wir müssen vom System der gewinnorientierten Heime wegkommen“, so Murgg.

Voves: „Bund muss Hausaufgaben machen“

Voves verband mit dem Appell für eine bundesweite Finanzierungslösung die Aufforderung an die Bundesregierung, endlich „die Hausaufgaben in den Strukturen“ anzugehen: „Wenn ich nie was angreife, bin ich natürlich mit dem Argument der Lohnnebenkosten konfrontiert. Sonst könnte man über mehr Steuergerechtigkeit auch mit der Wirtschaft reden, und die Pflegeversicherung hätte auch noch Platz.“ In der Steiermark spare man bis zur Mitte der nächsten Periode 250 Mio. Euro ein, beim Bund müsste das Zehn- bis 15-Fache drinnen sein. Er, Voves, werde „sehr heftig auf die Bundesregierung zugehen, um zu erklären, wie das sehr wohl ginge“.

Die Opposition und auch ÖGB, AK, Seniorenvertreter sowie zahlreiche Gemeinden forderten immer wieder die Abschaffung. Dementsprechend positiv fielen nun auch die Reaktionen aus - mehr dazu in Breite Zustimmung für Regressabschaffung (30.4.2014).