Semmering: Weiter Kritik an Asylplänen

In jenem ehemaligen Hotel, das das Innenministerium in Steinhaus am Semmering gemietet hat, sollen laut Ministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vorerst 50 Flüchtlinge untergebracht werden. Die Entscheidung sorgte fast durchwegs für teils heftige Kritik.

Seit am Dienstag die Pläne des Innenministeriums bekanntwurden, rund 200 Flüchtlinge in einem Hotel auf dem Semmering ohne Rücksprache mit Gemeinde und Land unterzubringen, gehen die Wogen hoch: Es wäre der Tod für den Ortsteil Steinhaus, sagt man in der Gemeinde, von einer „unzumutbaren Ghettobildung und einer unsensiblen Vorgangsweise der Ministerin“ spricht der für Asylfragen zuständige Landesrat Siegfried Schrittwieser (SPÖ); und die Freiheitlichen sagen, Spital dürfe nicht Traiskirchen werden - mehr dazu in Großquartier für Asylwerber auf Semmering?

Plus 73 Prozent bei Flüchtlingen aus Syrien

Das Innenministerium verteidigt den Entschluss: Die Zahl der Kriegsflüchtlinge, vor allem aus Syrien, sei explodiert, allein im August seien um 73 Prozent mehr Flüchtlinge gekommen als zuvor - und diese Menschen könne man nicht auf der Straße stehenlassen, sagte Siegfried Marakovits, Sprecher des Innenministeriums. Die Kritik der Gemeinde verstehe er, aber an manchen Tagen seien es bis zu 150 Asylwerber, für die man sofort Platz schaffen müsse.

Hotel Haus Semmering

ORF.at

100 bis 150 Flüchtlinge sollen in das Haus Semmering einziehen.

Keine volle Auslastung geplant

Da die Länder seit Monaten bei der Suche nach zusätzlichen Quartieren säumig seien, habe das Innenministerium den Aufruf gestartet, dass sich private Unterkunftgeber melden sollen. Nun habe man, so Ministeriumssprecher Marakovits, das ehemalige Hotel Haus Semmering gemietet, es sei für 200 Flüchtlinge zugelassen, eine volle Auslastung sei aber nicht angedacht.

Auch Innenministerin Mikl-Leitner selbst versuchte am Mittwoch zu beruhigen: „Momentan ist vorgesehen, dass hier 50 Asylwerber untergebracht werden, mit der Möglichkeit, mehr unterzubringen, aber das hängt von der Situation ab. Es sind Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten, die flüchten vor dem Dschihad, die flüchten vor dem IS-Terror, und denen müssen wir einfach Unterstützung geben“ - mehr dazu in Mikl-Leitner umgeht Asylwerberstopp (oe1.ORF.at).

Vonseiten des Innenministeriums wird betont, dass mehrere Bundesländer die vorgeschriebene Asylwerberquote nicht erfüllen, auch die Steiermark sei darunter - hier fehlten 535 Betten. Dem entgegnet der für Asylfragen zuständige Landesrat Schrittwieser, dass man in den vergangenen Monaten bei der Neuaufnahme von Flüchtlingen immer unter den Top-Drei-Bundesländern gewesen sei.

Kaiser: „Irritiert und verärgert“

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, reagierte „irritiert und verärgert“: „Über Nacht und ohne vorherige Verhandlungen mit der steirischen Landes- und betroffenen Kommunalpolitik ein derartiges Quartier zu eröffnen ist absolut inakzeptabel“, so Kaiser in einer Aussendung. So über ein Land und seine Bevölkerung „drüberzufahren“ entspreche in keiner Weise einer solidarischen Lösungsfindung, im Gegenteil: Es schüre Ängste und Sorgen in der einheimischen Bevölkerung.

Küberl: „Verbesserungswürdige Kommunikation“

Die Dramen der Welt spitzten sich zu, sagte Caritas-Direktor Franz Küberl - das bringe natürlich mehr Kriegsflüchtlinge nach Österreich, „zum anderen ist die Frage bei der Errichtung von Flüchtlingshäusern immer auch eine Frage der Kommunikation der Beteiligten. Wie das Innenministerium mit dem Land Steiermark spricht, wie man mit Gemeinden spricht, scheint, pardon, verbesserungsfähig zu sein.“

Auf die Frage, ob er es für sinnvoll halte, in einem kleinen Ort so viele Flüchtlinge unterzubringen, sagte Küberl, zunächst sollte man schauen, was die Ansprüche an so eine Einrichtung seien, und dann über den Ort entscheiden: „Sichtlich braucht es mehr Kapazität bei Erstaufnahmezentren und eine bessere Verteilung. Die andere Frage ist, wie kann man das in einer aufgeklärten Weise, wie es einer Demokratie entspricht, auch umsetzen.“

„Abschottung wäre eine Illusion“

Ein Grundmaß an Aufnahmefairness quer über Österreich sei notwendig: „Der Kern der Sache ist, dass wir Menschen in Österreich haben, die vor Entsetzlichkeiten geflohen ist, und die brauchen Schutz.“ Sich gegenüber der Welt abschotten zu können, sei eine Illusion, so Küberl.

Kritik auch von den Grünen

Kritik am Großquartier in Steinhaus kommt auch von den Grünen: Das fördere das gute Zusammenleben unter menschenwürdigen Bedingungen sicher nicht, so Landtagsklubobfrau Sabine Jungwirth. Die Innenministerin hätte mehr als drei Jahre Zeit gehabt, mit den Ländern gemeinsam kleinere Quartiere vorzubereiten - so lange dauere der Krieg in Syrien nämlich schon, so Jungwirth.

FPÖ: „Wellness für Asylwerber“

FPÖ-Klubchef Hannes Amesbauer wiederum stieß sich am „Wellness für Asylwerber“, die auf dem Semmering in einem Dreisternhotel „residieren“ dürften. „Zu allem Überdruss hat Mikl-Leitner erst vor kurzem die Polizeistation in der Gemeinde zugesperrt. Wie nun in der Tourismusgemeinde die Sicherheit gewährleistet werden soll, muss die Innenministerin erst einmal schlüssig erklären.“

„Schwerer Schlag für Tourismus“

Tatsächlich setzt die Gemeinde auf den Tourismus, vor allem im Winter mit dem Skigebiet Stuhleck und Zauberberg. Bürgermeister Reinhard Reisinger (SPÖ) und Tourismusobmann Hans Hirschegger wiesen auch auf die negativen Auswirkungen auf die Nächtigungszahlen hin: Im Hotel Haus Semmering seien im Vorjahr rund 25.000 Nächtigungen gezählt worden. Laut Reisinger entspreche das einem Anteil von 35 Prozent, der nun wegfalle: „Das ist ein schwerer Schlag für den Tourismus.“

Nationalratsabgeordnete Martina Schenk vom Team Stronach meinte, die Innenministerin habe offensichtlich den Begriff „Zauberberg“ falsch verstanden, und spielte ebenfalls auf die geschlossene Polizeiinspektion an: „Die Region Semmering wird die nötige Infrastruktur nicht herbeizaubern können.“