Zugsunfall: Waren Sicherheitsmängel bekannt?

Nach dem Zugsunfall am Mittwoch nördlich von Graz mit einem Toten und acht Verletzten ermitteln jetzt Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft - und es gibt auch Kritik wegen Sicherheitsmängeln entlang der Strecke, die laut Gewerkschaft schon lange bekannt gewesen sein sollen.

Glücklicherweise befanden sich insgesamt nur zehn Personen in den beiden verunglückten Personenzügen - die beiden Lokführer, eine Zugbegleiterin und sieben Fahrgäste - ansonsten wäre die Opferbilanz wohl noch dramatischer ausgefallen: Ein 21-jährige Lokführer wurde getötet, der zweite - ein 46-Jähriger - schwerst verletzt; bis auf einen 18 Jahre alten Fahrgast wurden alle weiteren Zuginsassen zum Teil schwer verletzt.

Laut Polizei dürfte der 21 Jahre alte Lokführer an der Ausweichstelle Waldstein aus bisher ungeklärter Ursache ohne Abwarten des Gegenzuges weitergefahren sein - eine mögliche Unfallursache, die zuvor auch schon von den Steiermärkischen Landesbahnen in ähnlicher Form veröffentlicht wurde - mehr dazu in Tödlicher Zugsunfall: Keine Streckenfreigabe.

„Es fehlt an sicherheitstechnischen Einrichtungen“

Laut der steirischen Bahngewerkschaftlerin Helga Ahrer würden Mitarbeiter der steiermärkischen Landesbahnen schon länger von groben Sicherheitsmängeln entlang der Strecke zwischen Übelbach und Peggau sprechen - vor allem, seit sich mit Einführung der S-Bahn vor acht Jahren die Zugfrequenz wesentlich erhöht habe.

Bei dem eingleisigen Abschnitt handelt es sich um eine Fernleitstrecke, die von einem Fahrdienstleiter von Weiz aus fernbedient wird. Erst nach telefonischer Freigabe durch diesen darf der Lokführer in den eingleisigen Streckenabschnitt einfahren.

Einige wenige Mitarbeiter hätten die Bahn sogar verlassen, weil sie die Verantwortung nicht länger übernehmen wollten, sagt Ahrer: „Es fehlt hier sicher an sicherheitstechnischen Einrichtungen, und es wurde bereits mehrmals darauf hingewiesen. Diese Bedenken waren immer da.“

Sicherheit könnte kostengünstig erhöht werden

Aus rechtlicher Sicht sei die Sicherung der Lokalbahn durch eine telefonische Freigabe auch ohne Lichtsignal ausreichend, tatsächlich gebe es Möglichkeiten, die kostengünstig die Sicherheit erhöhen würde, so die Bahngewerkschaftlerin: „Es gibt mittlerweile eine sehr gute Absicherung - das GPS-überwachte Streckensystem, wo man genau verfolgen kann, wo der Zug steht, wie er sich bewegt und in welche Richtung er fährt - das wäre die optimale Einrichtung für so eine Strecke.“

„Pietätlos“

Die Gewerkschaftlerin kritisiert auch Aussagen der Landesbahnen-Geschäftsführung zur möglichen Unglücksursache, denn tatsächlich gebe es keine Haltesignale, die missachtet werden könnten: „Es gibt dort keine Signale oder sonstige Einrichtungen, daher ist auch die Aussage betreffend eines Einfahrens trotz Haltesignals völlig haltlos, weil es dort keine Haltesignale gibt.“

Eine ähnliche Kritik kommt auch von Roman Hebenstreit vom Fachbereich Eisenbahn in der Gewerkschaft vida: Solange organisatorische und systemische Mängel im Betriebsablauf nicht ausgeschlossen werden könnten, sei es „völlig unangebracht, bereits von menschlichem Versagen zu sprechen“, so Hebenstreit in Richtung der Landesbahnen und weist „verfrühte Schlüsse und somit pietätlose Vorverurteilungen von Beschäftigten“ zurück, wie er sagt.

Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt ermitteln

Helmut Wittmann, der Geschäftsführer der Landesbahnen, meinte am Donnerstag, der 21-jährige Lokführer wäre in guter Verfassung gewesen: „Er war gut drauf, sodass wir auch psychologisch keinerlei Anhaltspunkt haben, dass hier irgendwelche Mängel gegeben wären. Alle unsere Lokführer werden psychologisch untersucht. Sie werden auch ärztlich in periodischen Abständen untersucht.“

Wittmann wurde am Donnerstag einvernommen. Auch alle Fahrgäste müssen in den kommenden Tagen befragt und die Black Boxes der beiden Züge ausgewertet werden. Die Staatsanwaltschaft Graz ordnete zudem die Obduktion der Leiche des Lokführers sowie die Beiziehung eines Technik-Sachverständigen an; außerdem soll auch ein Expertenteam des Verkehrsministeriums mit der Ursachenermittlung betraut werden.