Flüchtlinge: Emotionale Debatte im Landtag

Die Flüchtlingsproblematik hat auch die Landtagssitzung am Dienstag beherrscht. In der sehr emotionalen Debatte forderten die Grünen sogar den dritten Landtagspräsidenten Gerhard Kurzmann (FPÖ) zum Rücktritt auf.

In einem waren sich alle fünf Landtagsparteien einig: Die Flüchtlingsproblematik sei eine der größten Herausforderungen in der Geschichte der Europäischen Union und könne nur durch ein gemeinsames Vorgehen aller EU-Staaten gemeinsam gelöst werden. Das war es dann aber auch schon mit dem Gleichklang: Landtagspräsidentin Bettina Vollath (SPÖ) musste die Abgeordneten auf die entsprechende Wortwahl aufmerksam machen, „um die Würde zu wahren“, wie sie es formulierte.

Kurzmann für Grüne rücktrittsreif

Der dritte Landtagspräsident Gerhard Kurzmann hatte sich in einem Brief an den ungarischen Regierungschef Viktor Orban für dessen „klare Haltung“ im Umgang mit Flüchtlingen bedankt - für den Grünen Klubobmann im Landtag, Lambert Schönleitner, ist Kurzmann deshalb rücktrittsreif: „Da steht drin ‚im Namen tausender Steirer, aber auch im eigenen Namen danken wir Ihnen für ihre klare Haltung‘. Wenn Sie so etwas machen, dann machen Sie das als FPÖ-Politiker, aber da unten steht dritter Präsident des Landtages Steiermark - und das ist aus meiner Sicht eine Grenzüberschreitung.“

FPÖ: „Systemisierter Rechtsbruch“

Die FPÖ zeichnete in der Debatte über weite Strecken ein Bild von Flüchtlingsmassen, die ungehindert über die Grenzen nach Österreich gelangen. Klubobmann Mario Kunasek etwa kritisierte die Situation am vergangenen Wochenende an der slowenisch-steirischen Grenze in Bad Radkersburg - mehr dazu in Hunderte Flüchtlinge kamen über die Südgrenze.

Hunderte Flüchtlinge hätten die österreichischen Polizisten einfach ignoriert und seien an ihnen vorbeimarschiert, ohne dass sie kontrolliert worden seien: „Es kann und darf nicht sein, dass auch systemisierter Rechtsbruch passiert und dass anscheinend auch unsere Polizeikräfte nicht mit dem klaren Auftrag ausgestattet wurden - auch seitens der Politik - diese Grenzkontrollen so durchzuführen, wie es das Fremdenpolizeigesetz auch vorsieht.“

Ähnliches hörte man dann auch von Kurzmann: „Das, was sich an der Grenze in Radkersburg abgespielt hat, das hat vor laufender Fernsehkamera stattgefunden - die Kapitulation des Rechtsstaates vor einer Masse von Asylwerbern.“

Kampus empört über FPÖ-Aussagen

In ihrer Reaktion dankte Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) noch einmal den unzähligen Helfern für ihren Einsatz und zeigte sich dann empört über die Aussagen der FPÖ: „Ich war am Sonntag persönlich vor Ort - von Ihnen habe ich dort niemanden gesehen, und ich habe dort Bilder erlebt, die konträr zu dem sind, was sie jetzt hier schildern. Anscheinend leben wir in einer unterschiedlichen Steiermark.“

Grüne fordern gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik

Auch die Grüne Landtagsabgeordnete Sabine Jungwirth warf den Freiheitlichen Rassismus vor und forderte von der EU eine gemeinsame Flüchtlingspolitik: „Ich glaube, dass auch die Quote nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Deswegen müssen Länder, die letztlich die Quote nicht erfüllen, wenn wir uns auf eine solche einigen sollten, dann eben finanziell einen Beitrag leisten.“

„Herzerl für Flüchtlinge bemalen“

Hoch gingen die Wogen, als der junge FPÖ-Abgeordnete Marco Triller ans Rednerpult trat: Er will davon gehört haben, dass die Flüchtlinge in den Notquartieren Essen oder auch Früchtetee verweigerten, weil sie lieber Schwarztee trinken würden.

Dabei griff er auch Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) verbal direkt an: „Anstatt ihre Zeit in Wirtshäusern abzusitzen oder Herzerl für Flüchtlinge zu bemalen, fordere ich Sie auf, handeln Sie endlich und schauen Sie nicht tatenlos zu“, so Triller in Richtung des Landeshauptmannes.

Schützenhöfer: „Aufpassen, was man sagt“

Schützenhöfer selbst konterte mit einem Appell: „Wenn die Gefahr besteht, dass sich die Gesellschaft spaltet - und Risse sind da - dann hätten wir die staatsbürgerliche Pflicht, alles zu tun, das Gemeinsame zu suchen und nicht auseinander zu dividieren. In solchen Situationen sollte man aufpassen, dass man mit dem, was man sagt, nicht am laufenden Band sprachliche Grenzüberschreitungen vollzieht.“

„Wir tun, was wir tun können“

Überhaupt appellierte der Landeshauptmann in der mehr als dreistündigen Flüchtlingsdebatte zusammenzuhalten: „Geben wir doch zu, dass wir an der Grenze zur Überforderung sind, und suchen wir gemeinsam einen Weg. Die Haltung der Landesregierung ist felsenfest klar: Wir möchten, wir wollen und wir werden Menschen, die nur durch Flucht ihr Leben und das Leben ihrer Kinder retten können, möglichst auf kurze Zeit helfen, aber wir sind für Krieg und Terror auf der Welt nicht verantwortlich. Wir tun, was wir tun können, aber es ist die Weltgemeinschaft und es ist Europa gefordert.“ Unter anderem, so Schützenhöfer weiter, müssten die EU-Außengrenzen gesichert und weltweite Friedensinitiativen gesetzt werden.

KPÖ: Problematik wird Landtag weiter beschäftigen

KPÖ-Abgeordneter Werner Murgg sagte, die Problematik werde den Landtag in den nächsten Jahren weiter beschäftigen. Die KPÖ sei „natürlich für Grenzen und Nationalstaat, weil dies auf lange Zeit das Gebilde und der Körper ist, in dem Rechte gesichert und bewahrt werden können“.

Aber für Grenzen zu sein, hieße nicht, für geschlossene Grenzen zu sein: „Es gibt Türen, durch die geht man und nicht durch die Mauern“. Es ist heuchlerisch, die Sicherung der EU-Außengrenzen zu fordern, und gleichzeitig Ungarns Viktor Orban und Griechenland als böse darzustellen. Jeder, der über möglichen Verdrängungskampf am Arbeitsmarkt nachdenke, sei nicht notwendigerweise ein Rassist, so Murgg.

Auch auf europäischer Ebene wird am Dienstag zur Flüchtlingssituation diskutiert: Im Zentrum einer Sondersitzung der EU-Innenminister wird neuerlich die Aufteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten stehen - Umverteilungspläne der EU-Kommission scheiterten bislang am Widerstand der osteuropäischen Staaten - mehr dazu in Wer soll wie viele aufnehmen? und in Europa hat die Kapazitäten (beide news.ORF.at).

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