Nagl-Petition: Mehrfache Unterschriften möglich

Fast 11.000 Personen stimmten innerhalb eines Tags einer Onlinepetition des Grazer Bürgermeisters Nagl (ÖVP) für eine „Festlegung einer Obergrenze von 100.000 Flüchtlingen“ zu. Aber: Jeder kann mehrfach unterschreiben.

Mit den Worten „Die derzeitige Lage in der Flüchtlingskrise ist unverändert dramatisch. Der Zustrom der Flüchtlinge nach Österreich wird auch in näherer Zukunft nicht verebben“ leitet Bürgermeister Nagl die Erklärung der Bittschrift ein.

Man wolle helfen, doch das Land stoße an die Grenzen seiner Kapazitäten, „wenn das Gleichgewicht humaner Aufnahmepolitik und gesellschaftlicher sowie ressourcenbedingter Aufnahmemöglichkeit aus dem Gleichgewicht gerät“. Die Petition fordere außerdem eine maximale Anzahl von 50 Personen pro Quartier - dafür solle Kanzler Werner Faymann (SPÖ) eintreten.

Obergrenze „alternativlos“

Werde das Asylrecht in „so heftigem quantitativen Ausmaß wie derzeit wahrgenommen“, sei das mit plötzlichen Kosten für die Bereitstellung von Leistungen und Ressourcen des Staates verbunden, sagte Nagl: „Die Definition einer Obergrenze der Zuwanderung ist nicht nur alternativlos, sondern Maßstab für die verkraftbaren Integrationsleistungen eines Staates“, so die Botschaft des Stadtoberhaupts. Er forderte schon vor wenigen Tagen eine Asylobergrenze - mehr dazu in Asylwerber: Nagl für „Obergrenze“ von 100.000 (14.1.2016).

Jede E-Mail-Adresse hat zwei Stimmen

Bis Dienstagfrüh, und damit nur innerhalb eines Tages, gab es über 10.700 Unterstützungserklärungen, allerdings kann pro E-Mail-Adresse zweimal - aber jeweils mit anderem Namen - unterschrieben werden - weil etwa ältere Internetnutzer manchmal nur eine Adresse gemeinsam nutzen würden, hieß es aus dem Büro von Nagl. Dass viele schummeln würden, sei eine Unterstellung, so Nagl-Sprecher Thomas Rajakovics.

Außerdem sei das nicht mehr oder weniger als bei anderen Onlinepetitionen oder auch auf der Straße möglich: Personen könnten sich ja auch auf klassischen Sammellisten mehrmals eintragen. Alle Eingaben würden jedenfalls von einem Computerprogramm auf Doppelnennungen geprüft. Entscheidend sei, dass es für die Bittschrift wohl Zehntausende Unterstützer geben wird.

Kritik von Grünen, FPÖ, SJ und Piraten

Unterstützung bekommt Nagl von seinem Parteikollegen und Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner und ÖVP-Graz-Klubfrau Daniela Gmeinbauer, Kritik kommt von den anderen Parteien. So meinte etwa Grünen-Stadträtin Lisa Rücker: „Nagl gaukelt der Bevölkerung vor, mit einer elektronischen Unterschrift auf einer Onlinepetition irgendein Problem zu lösen. Er selbst ist als Bürgermeister gefordert und dafür verantwortlich, mit seinen Parteikollegen in Land und Bund zu kooperieren, um Versorgung, Sprache, Zugang zum Arbeitsmarkt und Integration sicherzustellen und auf europäischer Ebene eine gemeinsame, gerechte Lösung für alle Mitgliedsstaaten zu finden.“

FPÖ-Landesparteisekretär Stefan Hermann zweifelte an der Ernsthaftigkeit der Petition, da sie mehrmals unterzeichnet werden könne: Das sei „bezeichnend und öffnet überdies Tür und Tor für etwaige Manipulationen“. Nagl solle lieber beim Innenministerium vorsprechen und seine Forderungen direkt kommunizieren.

Der Landesvorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), Peter Drechsler, und der Vorsitzende des Verbandes sozialistischer Studenten Graz, Tomas Steinocher, zeigten sich empört: „Für den Bürgermeister einer Menschenrechtsstadt ist das eine Schande.“ Sie planen, eine Gegenpetition unter dem Titel „Rassismus Grenzen setzen“ ins Netz zu stellen.

Für Piraten-Gemeinderat Philip Pacanda schließlich würde eine Obergrenze zu einer Klage der EU führen, außerdem sei diese Politik „auf dem Rücken derer, die ohnehin schon alles verloren haben“. Vernünftig sei dagegen die Forderung nach kleineren Quartieren.

Nationaler Alleingang rückt näher

Auf EU-Ebene zeichnet sich unterdessen weiter kein gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlingskrise ab - das könnte nun zu nationalen Alleingängen mit dominoartigen Folgen führen. Österreichs Regierung ist hier derzeit tonangebend - und die Aussagen und die zum Teil neue Tonalität führender Regierungsmitglieder der letzten Tage und Wochen dürften einen Kurswechsel ankündigen, wenngleich Bundeskanzler Faymann am Dienstag einräumte, dass derzeit „nur Notlösungen“ möglich seien - mehr dazu in Für „Grenze“ bei Flüchtlingszahl (news.ORF.at).

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