Vierter Dschihadistenprozess angelaufen

Im Grazer Straflandesgericht hat am Donnerstag der vierte und vorerst letzte Dschihadistenprozess begonnen. Angeklagt sind zwei Brüder - sie sollen sich an der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligt haben.

Die beiden Brüder, 17 und 23 Jahre alt, sind österreichische Staatsbürger und stammen aus einer türkisch-kurdischen Familie. Der Ältere war laut Anklage als IS-Kämpfer in Syrien und ist auch wegen versuchten Mordes angeklagt, der Jüngere wurde auf dem Weg nach Syrien festgenommen.

Radikalisierung in Kairo

Die Familie zog 1997 von der Türkei nach Graz. Um Arabisch zu lernen, ging der 23-Jährige laut Anklage vor vier Jahren nach Kairo; dort sei er radikalisiert und in Kursen auf einen Kampfeinsatz für den IS in Syrien vorbereitet worden.

Nach Verletzung Rückkehr nach Syrien geplant

Laut Staatsanwalt habe er in der Folge gezielt auf Menschen geschossen; dass er auch tötete, könne man aber nicht beweisen. Ende Februar 2013 war der heute 23-Jährige dann bei einem Kampf in der syrischen Provinz Aleppo schwer an den Beinen verletzt worden - er kam nach Österreich zurück und ging mit seiner Familie nach Wien. Dort hatte er Kontakt zu einem - in einem anderen Verfahren ebenfalls angeklagten - islamischen Prediger und soll seinen jüngeren Bruder überredet haben, mit ihm wieder nach Syrien zu gehen, um dort weiter für den IS zu kämpfen. Die geplante gemeinsame Reise nach Syrien endete aber noch vor dem Abflug mit der Verhaftung der beiden.

„Als Sanitäter nach Syrien gegangen“

In einer zerrütteten Familie aufgewachsen, hätten die jungen Männer im Krieg verheizt werden sollen, so der Staatsanwalt am Donnerstag - für eine Ideologie, die er faschistisch nannte und mit Stalinismus und Nationalsozialismus verglich. Alle Vorwürfe seien falsch, sagten dagegen die Verteidiger der Brüder, der Prozess bestehe nur aus Indizien. Der 23-Jährige selbst sagte: „Ich fühle mich unschuldig“, und das gelte auch für seinen Bruder. Er, so der 23-Jährige, habe Frauen und Kindern in Syrien helfen, aber niemals jemandem etwas antun wollen; er sei als Sanitäter nach Syrien gegangen, nicht als Kämpfer.

Kalaschnikow notwendig?

Das höre er zum ersten Mal, so daraufhin der Richter, der Angeklagte widerspreche damit allen seinen Aussagen in insgesamt acht Einvernahmen. Im folgenden Streitgespräch zwischen Richter und Angeklagtem ging es dann um die Frage, ob ein Sanitäter eine Kalaschnikow brauche. „Tun wir nicht blöd reden“, sagte der Richter - schlüssige Antwort bekam er aber keine.

Der jüngere Bruder gab ebenfalls an, nicht schuldig zu sein. Er wollte nur ausreisen, um in der Türkei drei Monate lang eine Schule zu besuchen, „unter der Aufsicht seines dort lebenden Großvaters“, wie sein Verteidiger betonte. Er erklärte außerdem, zu seinem Bruder und dessen Aktivitäten keinerlei Angaben zu machen.

Mehrere Ermittlungsverfahren anhängig

Zwei IS-Prozesse gingen bereits mit einem erstgerichtlichen Urteil zu Ende - mehr dazu in Dschihadistenprozess: Acht Jahre Haft und in Dschihadistenprozess: „Urteil sehr streng“ sowie in Dschihadistenprozess: Haft für sechs Angeklagte, ein weiterer - es handelt sich dabei um den Prozess gegen den islamischen Prediger - wurde vertagt; dieser Prozess soll Mitte April fortgesetzt werden, ein Urteil ist da aber noch nicht zu erwarten - mehr dazu in Grazer Dschihadistenprozess wurde vertagt (29.2.2016).

Generell seien bei der Staatsanwaltschaft Graz noch mehrere Ermittlungsverfahren in Sachen IS anhängig, so Gerichtssprecherin Barbara Schwarz: „Man wird dann sehen, welches der Ermittlungsverfahren mit einer Anklage oder einem Strafantrag allenfalls ins Hauptverhandlungsstadium kommt.“ Das Thema werde das Gericht sicher noch für Monate, wenn nicht sogar Jahre beschäftigen.