Inklusion: Mehr Personal gefordert

Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung soll in Österreich weiter forciert werden. Die Steiermark ist im Bereich der Inklusion Vorreiter, Lehrer und Eltern fordern aber mehr Personal.

Die Sonderschule soll bis 2020 zum Auslaufmodell werden - dieses Ziel der Regierung gibt es bereits seit 2008. Stattdessen soll es immer mehr Modellregionen geben, in denen Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden.

30 Jahre Erfahrung

Das Land Steiermark gilt seit 30 Jahren als Vorreiter in den Bereichen der Integration und Inklusion. Die Erfahrungen hier und in anderen Ländern zeigen laut Erziehungswissenschaftlerin Barbara Gasteiger-Klicpera von der Uni Graz, dass Inklusion für beide Seiten - also für Kinder mit und ohne Behinderung - viele Vorteile hat.

Ausnahmefälle, in denen es nicht funktioniert

Der Lernerfolg wäre gleich oder sogar besser, so Gasteiger-Klicpera: „Wir alle kennen Fälle, wo es mit der Inklusion nicht sehr gut funktioniert. Aber wenn man sich empirische Daten anschaut, dann sieht man, dass Inklusion ein Erfolgsprogramm ist, und dass jene Fälle, wo es nicht funktioniert, eher die Ausnahme sind als die Regel.“

Expertin: Sonderschulen nicht mehr nötig

Österreichweit werden etwas mehr als 60 Prozent der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf inklusiv - also im normalen Klassenverband - unterrichtet, in der Steiermark sind es sogar rund 85 Prozent - iementsprechend meint die Professorin der Uni Graz, dass Sonderschulen nicht mehr notwendig wären. Für gelingende Inklusion brauche es aber kompetentes Lehrpersonal und Unterstützung für jene Schulen, die Inklusion betreiben.

„Liegt an Haltung der Lehrenden“

„Grundsätzlich liegt es an der Haltung der Lehrenden, und die Haltung hängt mit Erfahrungen und damit zusammen, dass man sich das zutraut - da ist natürlich die Aus-, Fort- und Weiterbildung gefragt. Aber da wird schon sehr viel an positiven Initiativen geleistet“, so Gasteiger-Klicpera.

Mittlerweile ist Inklusion in der Pädagogenausbildung ein fixer Bestandteil, zusätzliches Fachpersonal braucht es laut Barbara Gasteiger-Klicpera aber trotzdem. Derzeit werden außerdem sogenannte Zentren für Inklusion und Sonderpädagogik aufgebaut: An diese können sich Direktoren, Lehrer und Eltern künftig wenden, wenn sie Fragen oder Bedenken haben.

Lehrergewerkschaft fordert mehr Personal

Dass es mehr Personal an den Schulen braucht, sagt auch Martin Kaucic von der Lehrergewerkschaft: „Alle Maßnahmen der letzten Jahre und Jahrzehnte sind teilweise in einem Bereich angelangt, wo man wirklich sagen muss, die Ressourcen, der Umgang mit den Ressourcen ist schon beinahe fahrlässig. Wir haben eine Deckelung von 2,7 Prozent für Stunden für den sonderpädagogischen Förderbedarf, das wäre ungefähr so, wenn nur 2,7 Prozent der Österreicher eine Brille tragen dürften und gerade in den städtischen Bereichen, in den Ballungsgebieten reichen diese Mittel schon lange nicht mehr aus.“ Kaucic meint, dass neben zusätzlichen Stunden für Sonderpädagogen auch dringend Hilfspersonal in den Schulen gebraucht würde, zum Beispiel für Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen.

Eletern: Integration nicht für alle Kinder das Beste

Kritik an zu wenig Personal kommt auch von betroffenen Eltern, sagt die Sprecherin des Landeselternvereins, Ilse Schmid, denn pro behindertem Kind in einer Klasse gibt es nur eine gewisse Anzahl zusätzlicher Lehrerstunden: „Ein Kind ist den ganzen Unterricht hindurch behindert und nicht nur die vier bis fünf Stunden, die von einem Sonderpädagogen für das einzelne Kind gehalten werden dürfen. Das heißt, wenn das Kind nicht in einer Klasse mit fünf bis sechs anderen Kindern ist, gibt es gar keinen vollzeitbeschäftigten Sonderpädagogen in dieser klasse.“

Außerdem, so die Elternsprecherin, würde die Integration in die Regelschule nicht für alle Kinder das Beste sein, vor allem nicht für diejenigen, die schwer beinträchtigt sind. Der Landeselternverein startete deshalb eine parlamentarische Bürgerinitiative für den Fortbestand der Sonderschule, die laut Schmid bisher rund 22.000 Menschen unterschrieben haben.