IS-Nebenprozess um Drohungen und Blutrache

In Graz hat am Mittwoch ein IS-Prozess im Fahrwasser des großen, noch nicht abgeschlossenen Dschihadistenprozesses begonnen: Ein Russe soll die Mutter und die Freundin eines Zeugen und auch den Zeugen selbst bedroht haben.

Das Verfahren gegen einen mutmaßlichen Hassprediger und einen Tschetschenen spielt auch für den IS-Nebenprozess gegen den 34-jährigen Russen, der wegen schwerer Nötigung, falscher Beweisaussage und Begünstigung angeklagt ist, eine Rolle. Immerhin ist - oder war - er der beste Freund des Belastungszeugen, der ausgesagt hatte, er habe den Tschetschenen bei Tötungshandlungen für den IS in Syrien gesehen. Der Hauptzeuge ist mittlerweile im Zeugenschutzprogramm und damit dem Zugriff von „Freunden“ entzogen, die Familie offenbar nicht - mehr dazu Dschihadistenprozess: Zeugen bedroht (17.4.2016).

„Ältestenrat ruft Blutrache aus“

Der nun angeklagte Russe soll die Mutter und die Freundin dieses Zeugen massiv bedroht haben, um den Zeugen dazu zu bewegen, seine Aussagen zu unterlassen oder zu widerrufen - und das laut Staatsanwaltschaft mit Mitteln jenseits offiziell geltenden Rechts. Der Mutter soll der Russe via Telefon ausgerichtet haben, es sei ein Kopfgeld von 25.000 Euro für sie ausgesetzt; bringe sie ihren Sohn nicht zu Vernunft, werde der sogenannte tschetschenische Ältestenrat die Blutrache gegen sie ausrufen - das sei unter anderem schwere Nötigung, so der Staatsanwalt, mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahre Haft.

„Blutrache nur für männliche Verwandte“

Der Verteidiger sagte, es gäbe nur Mutmaßungen, aber keinerlei Beweise, zudem wollte er ein Gutachten zum Thema Blutrache beantragen. Der Angeklagte - er lebt seit 2007 in Österreich, zuletzt in Wien - versteht und spricht Deutsch, ließ aber lieber dolmetschen - zuallererst, dass er nicht schuldig sei: Er habe niemanden bedroht, sondern die Mutter seines Freundes nur warnen wollen, dass „die Leute über ihn reden, weil er andere beschuldigt“, erklärte er vor Gericht. Dass auch von Blutrache die Rede war, wies der Verteidiger entschieden zurück: „Blutrache gibt es nur für männliche Verwandte“, erklärte der Anwalt. „Das stimmt nicht“, warf die Richterin ein.

Prozess vertagt

Die Richterin ging mit vielen Fragen ins Detail, der Angeklagte hielt mit ausladenden Gesten Vorträge, sagte aber inhaltlich nicht viel, außer dass der Zeuge seit ihrem Zusammentreffen im Flüchtlingslager Traiskirchen sein bester Freund gewesen sei; zu dessen Mutter habe er guten Kontakt gehabt, die Freundin wiederum habe er kaum gekannt, habe sie doch nie den Status einer Ehefrau gehabt, von denen der Zeuge zwei habe. Der Prozess wurde vertagt, ein neuer Termin wird erst bekannt gegeben.