Das war Tag vier im Amokfahrerprozess

Am Freitag ist in Graz die erste Verhandlungswoche im Amokfahrerprozess abgeschlossen worden. Auf dem Programm standen weitere Zeugenaussagen - und wie auch schon in den vergangenen Tagen zeichneten sie Bilder des Horrors.

Liveticker aus dem Gerichtssaal

steiermark.ORF.at berichtete via Liveticker direkt aus dem Gerichtssaal: Das war Tag vier im Grazer Amokfahrerprozess

„Geht es ihnen so halbwegs?“, fragte der Richter die erste Zeugin. Die Frau schüttelte den Kopf und erzählte weinend, sie habe plötzlich Menschen aufschreien hören, dann wäre „ein dumpfer Aufprall“ erfolgt. Dadurch drehte sie sich um und sah, „wie der grüne Geländewagen direkt auf mich zugefahren ist.“ Sie konnte in ein Geschäft flüchten: „Die Frau, die gestorben ist, hat mir das Leben gerettet, ich hätte sonst nicht hingeschaut.“

„Es kommt alles wieder hoch“

Dann wurde der 27-jährige Betroffene auf Wunsch des nächsten Zeugen aus dem Saal gebracht. Er konnte zunächst vor lauter Tränen kaum reden: „Es tut mir leid, es kommt wieder alles hoch“, schluchzte er. „Das ist verständlich, und sie müssen sich auch nicht schämen“, beruhigte ihn der Richter. Es handelte sich um einen guten Freund des Mannes, dessen vierjähriger Sohn getötet wurde. Die beiden Männer waren mit ihren Kindern in der Stadt, „weil wir Spaß haben wollten“.

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Ein Appell an die Geschworenen

Der vierjährige Valentin spielte in der Fußgängerzone bei einer Wassermulde, die anderen standen daneben. „Plötzlich waren vor mir die Motorhaube und der Kühlergrill“, erzählte der Mann, der seinen kleinen Sohn an der Hand hielt und mit ihm zur Seite springen konnte. „Dass ich da bin und dass mein Kind lebt, ist ein Wunder“. Über die Schulter musste er mitansehen, wie der andere kleine Bub überfahren wurde. „So ein unschuldiges Kind muss auf diese Weise sterben“, weinte der Zeuge. Er appellierte an die Geschworenen: „Machen sie, dass unsere Kinder und andere Leute vor solchen Menschen geschützt werden.“

Trauer in Graz

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Eine Studentin konnte nicht rechtzeitig zur Seite weichen und wurde vom Auto erfasst. „Ich habe versucht wegzulaufen, dann weiß ich nichts mehr.“ Sie wachte erst am nächsten Tag im Spital auf - mit Schädelbruch, Becken-und Schambeinbruch, Gehirnblutung, gebrochenen Beinen und inneren Verletzungen. Ihre Freundin, die zwar niedergestoßen wurde, aber fast unverletzt blieb, erzählte: „Ich bin plötzlich am Boden gelegen und hab’ mich nicht getraut, die Augen aufzumachen.“

Der Amokfahrer konnte sich gar nicht, vielleicht oder ein wenig erinnern. Angesprochen von der Verteidigung auf die Opfer und die Zeugen und auf die Frage, ob er nachvollziehen könne, dass der Vater des getöteten Buben nicht erschienen sei, antwortet der 27-Jährige: „Ich kenne diese Leute nicht.“ Und dann noch, er wisse es nicht.

„Ich kann mich nicht mehr erinnern“

Überhaupt stand am Nachmittag dann der Amokfahrer selbst im Mittelpunkt der Verhandlung. Es ging um seine berufliche Vergangenheit als Autohändler, die beiden ehemaligen Ehen und die dazugehörigen Schwiegereltern sowie um finanzielle Verpflichtungen - und da wurde der 27-Jährige auch gesprächiger als bisher: In teils sehr geschliffenen Formulierungen erzählte der Betroffene etwa von seinen Frauen - die erste Ehe geschieden, die zweite mit dem Gang ins Frauenhaus quasi beendet, dann die Suche nach einer neuen Frau via Internet.

Warum er denke, dass er in Haft sitze, fragte ein Gutachter: „Weil ich verfolgt worden bin und bedroht und deswegen eine Therapie brauche“, sagte der Amokfahrer. „Nicht vielleicht, weil sie durch Graz gerast sind?“, fragte der Richter nach - darauf kam, was schon fast kommen musste: „Ich kann mich nicht erinnern.“

So lange untergebracht, „bis Therapie beendet ist“

Auf die Frage, ob er der Meinung sei, er könne die „Unterbringung“ verlassen, sagte er, er sei der Meinung, er sei untergebracht, „so lange, bis die Therapie beendet ist“; das habe ihm seine Verteidigerin gesagt - diese verwehrte sich aber gegen diese Behauptung.

Anzug soll zeigen, „dass ich unschuldig bin“

Schließlich wurde dem Betroffenen noch die Frage gestellt, warum er denn einen weißen Anzug trage - darauf sagte der 27-Jährige: „Vielleicht soll er ein bisschen zeigen, dass ich unschuldig bin.“